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Landtagswahlen und UkrainekriegStimmungstest im Glaubenskrieg

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die Landtagswahlen entscheiden nicht über die deutsche Ukrainepolitik. Dennoch sind die Wahlen in Kiel und Düsseldorf richtungweisend.

Wessen Kurs wird gestärkt? Olaf Scholz und Friedrich Merz im Bundestag Foto: Filip Singer/epa

S elten waren Landtagswahlen so wichtig wie jetzt in Schleswig-Holstein und nächste Woche in Nordrhein-Westfalen. Natürlich entscheiden sie nicht über den Weltfrieden, aber über den Fortgang im derzeitigen deutschen Glaubenskrieg.

Alles dreht sich dabei um die Frage, wie man Russland dazu bringen kann, seinen grausamen Angriff auf die Ukraine zu beenden. Niemand weiß es. Anders als bei Corona-, Klima- oder Finanzkrise lässt sich das leider nicht berechnen. Wie ein skrupelloser Wladimir Putin auf welche westlichen Schritte reagiert, bleibt Spekulation. Umso mehr suchen viele Halt in kühnen Plänen – und beschimpfen Andersdenkende als „putinfreundlich“ oder „bellizistisch“.

Grob gesagt gibt es zwei Lager. Das Team Gegenattacke glaubt, dass nur Strafmaßnahmen jeder Art, noch mehr Sanktionen und noch mehr Waffen helfen. Bis Putin so geschwächt ist, dass er die Ukraine in Ruhe lässt oder weggeputscht wird. Das ist ein Wunsch, den fast alle teilen – aber nicht alle glauben daran, dass er in Erfüllung geht.

Das Team Vorsicht glaubt, dass gerade eine extreme Schwächung Putins extrem gefährlich wäre. Weil er dann vielleicht zu schlimmsten Waffen greift, wenn er nichts mehr zu verlieren hat. Deshalb hofft das Team Vorsicht weiter, irgendwie einen Kompromiss zu finden und so den Krieg zu beenden. Auch das ist ein populäres Ziel, das andere aber für viel zu defensiv halten.

Hier kommen Schleswig-Holstein und NRW ins Spiel. Auch wenn viele dort beim Wählen eher an den netten Herrn Günther oder den Mallorca-Urlaub einer Ministerin denken, wird ihr Votum in den Parteien und Medien als Stimmungstest gewertet – wie auch nicht: Der Krieg dominiert alles und betrifft jeden, mindestens materiell durch die Folgen der Sanktionen, vor allem aber psychologisch durch die Frontbilder. Er schwingt auch im Wahlkampf immer mit. CDU-Chef Friedrich Merz war kaum zufällig gerade jetzt in Kiew.

Unterschiedliche Signale

Ganz eindeutig wird es nicht ausgehen. Laut Umfragen sind 45 Prozent der Deutschen für Waffenlieferungen, 45 Prozent dagegen. Doch die einzigen Parteien, die sich klar gegen Militärhilfe aussprechen, sind Linke und AfD. Beide haben aus eigenem Verschulden nur geringe Chancen, was bei den einen mehr und bei den anderen gar nicht zu bedauern ist.

Ampel und Union unterstützen gemeinsam die Nato-Politik. Doch sie senden unterschiedliche Signale: Merz fordert mehr Verve, CDU-Siege würden ihn bestärken. Kanzler Olaf Scholz neigt zur Vorsicht. Die Kritik daran könnte er leichter ignorieren, falls die SPD gewinnt.

Für alle gut wäre die Einsicht, dass es keinen sicher richtigen Weg zum Frieden gibt. Und Respekt davor, was andere glauben.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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