piwik no script img

KIRSTEN FUCHS über KLEIDERGeile Jacke an, geile Jacke aus

Wie ich in der achten Klasse einen richtig coolen Rocker-Sieg über die Schule errang

Ich bin in der achten Klasse hängen geblieben. An der Heizung, mit meiner Lederjacke. Ratsch. Die Lederjacke war neu, danach war sie zwar immer noch neu, aber kaputt. Sie sah also nicht mehr neu aus. Das war schweineärgerlich, weil die Jacke für meine damaligen Verhältnisse schweineteuer gewesen war. Ich hatte für die Jacke mein Geburtstags- und Weihnachtsgeld von allen Verwandten zusammengelegt. Zweihundert Mark.

Es sollte die klassische Rockerjacke sein, mit Schnalle unten. Ich fuhr von A nach B, mit der S und U (Bahn), und fand die Jacke bei C & A. Eine C-&-A-Jacke ist ja eher nicht so klassischer Rocker, aber das war ich ja auch nicht. Klassische Rocker gehen nicht in die achte Klasse. War mir egal. Ich hatte meine Jacke und freute mich, bis …

In meiner Schule waren die Drehknöpfe zum Regulieren der Heizung abmontiert worden, damit die Schüler damit keinen Schabernack treiben. Die Heizung wurde zentral geregelt, und darum war es zu warm oder zu kalt. Jacke an, Jacke aus. Präzise gesagt: geile Jacke an, geile Jacke aus. Ich war so die coole Sau. Ich war so dermaßen die coole Sau, dass ich in dem Jahr gleich erst mal versetzungsgefährdet war und fast sitzen blieb. Na, wäre ich mal sitzen geblieben, dann wäre das alles nicht passiert …

Ich stand mit dem Stundenklingeln abrupt auf, hatte die Jacke an, die wir eigentlich im Unterricht nicht anbehalten durften, die aber nötig war, weil die Heizung keinen lauen Pup in den Raum abstrahlte, und dann blieb ich an dem Rest des Drehknopfes hängen, dem Montagepunkt, Stutzenpömpel, Stift … Mit der Benennung dieses Gegenstandes hatten meine Mutter und ich arge Probleme, als wir den Sachverhalt schriftlich schilderten, um von der Schule Geld für meine kaputte Lederjacke zu bekommen. Eigentlich war die klassische Rockerjacke erst dadurch eine klassische Rockerjacke geworden, dass sie einen Riss im Ärmel hatte, aber da ich nur eine unklassische Rockerin aus der achten Klasse war, ärgerte ich mich. Ein Änderungsschneider schlug mir vor, den Riss für zwanzig Mark zu nähen. Das gefiel mir nicht. Ein Schuster klebte dann den Riss für sieben Mark einfach zu. Ich war zufrieden.

Die Schadensersatzforderung wurde abgelehnt. Unser Argument, dass der Rest des Drehknopfes an der Heizung, der Montagepunkt, Stutzenpömpel, der Stift halt, dass der eine Gefahrenquelle darstellt und überhaupt eine Sauerei sei, wurde nicht bestritten, aber trotzdem wurde auf die Schulordnung hingewiesen, nach der ich meine Jacke als Schülerin während des Unterrichtes nicht zu tragen habe. Meine Mutter und ich gaben nicht auf. Gegenargument: Der Vorfall, Ratsch, ereignete sich während des Läutens der Schulglocke und somit genau nicht mehr während des Unterrichts.

Der Schulrat gab auch nicht auf. Gegenargument: Schüler haben ihre Jacken an die Garderobe zu hängen. Na, das konnten meine Mutter und ich aber noch besser: Meine Tochter Kirsten Fuchs war gezwungen, ihre Jacke im Unterricht zu tragen, weil der Klassenraum nicht beheizt werden konnte, eben weil der Drehknopf an der Heizung abmontiert war. Ätschbätsch! Außerdem, und das entsprach einfach nur der Wahrheit, besaß mein Klassenraum keine Garderobe. Doppelt Ätschbätsch! Die Versicherung der Schule grummelte sich ein „Ach so“ ab und forderte dann eine Quittung für die Reparaturkosten der beschädigten Jacke.

Ich bekam nach diesem ganzen Hickhack also keine zweihundert Mark, sondern nur sieben. Trotzdem war es ein großer Sieg. Ich lud meine Mutter zum Eis ein und in meinem Klassenraum wurde eine Garderobe angebracht. Im selben Jahr stieß sich Daniel Katschke seinen Arm an diesem Rest des Drehknopfes an der Heizung, dem Montagepunkt, Stutzenpömpel, dem Stift. Er hatte einen blauen Fleck und konnte niemanden verklagen, weil sein Arm nicht kaputt war, nur vorübergehend blau. Ich konnte wenigstens jahrelang die Narbe in meiner Lederjacke vorzeigen und mit meinem Sieg über die Schule prahlen. Ich habe die Schule besiegt, denn ich blieb nicht sitzen!

Fragen zum Ratsch? kolumne@taz.de Morgen: Robin Alexander über SCHICKSAL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen