Kinotipp der Woche: Wenn das B ruft
Die Filmreihe „Berlin Visionen“ zeigt Berlin samt Subkulturen und No-Future-Lebensgefühl. Und als Stadt des großen Wandels nach der Wiedervereinigung.
Berlin im Film zeigt sich immer wieder anders. Als Mauerstadt, in der Herr Lehmann lieber in der Kreuzberger Kneipe mit all den anderen Loosern hockt, als live vor Ort zu observieren, wie sich die Ossis mit ihren Trabbis direkt nach der Wende gerade über den Checkpoint Charlie in Richtung Westen aufmachen. Als Club- und Technostadt wie in “Berlin Calling“ (2008), wo sogar der Berliner Fernsehturm anmutet wie eine Discokugel und Paul Kalkbrenner als DJ Ickarus von der Berliner Nacht und übermäßigem Drogenkonsum verschluckt wird. Oder als Stadt der Drifter und ewig Suchenden ohne wirkliches Ziel wie in “Oh Boy“ (2012), der nebenbei zeigt, wie aufregend bunt Berlin auch in Schwarz-Weiß aussehen kann.
Die beiden Filmwissenschafter Marcus Stiglegger und Stefan Jung haben vor kurzem ein Buch mit dem Titel “Berlin Visionen“ herausgegeben, in dem diese filmische Vielgestaltigkeit Berlins untersucht wird. Vor allem Werke aus den Achtzigern bis heute interessieren sie, das eingeschlossene Berlin samt seinen Subkulturen und dem No-Future-Lebensgefühl, bis hin zur Stadt des großen Wandels, zu der sie sich nach der Wiedervereinigung wandelte.
Nun wird im Zeughauskino die passende Filmreihe zu dem Werk nachgereicht und man bekommt die Möglichkeit, auch so manchen nur noch schwer aufzutreibenden Film sogar im Kinosaal zu sehen. Bis zum 13. Mai wird Berlin in allen nur erdenklichen Facetten auf der großen Leinwand des Kinos beleuchtet.
Darunter sind obligatorische Klassiker wie „Victoria“ (2015) von Sebastian Schipper, der Filmgeschichte geschrieben hat, indem er auf Schnitte verzichtet und in einer einzigen Kamerafahrt durch die Stadt führt, raus aus dem Club, direkt hinein in eine wilde Kriminalgeschichte. Aber auch unbekanntere oder eher vergessene Werke wie RP Kahls ziemlich speziellen und wüsten Genrefilm “Angel Express“, den man so neu für sich entdecken kann.
Im Blick der Berliner Schule
Natürlich dürfen auch diverse Werke der sogenannten “Berliner Schule“ nicht fehlen, die sich weltweit den Ruf erarbeitet hat, vor allem auf genaue Beobachtungen und langsam voranschreitende Handlungen denn auf Action zu setzen. So wie “Gespenster“ (2005) von Christian Petzold, in dem die noch sehr junge Julia Hummer in einer der Hauptrollen zu sehen ist. Oder wie in “Der schöne Tag“ (2001) von Thomas Arslan, der mit diesem Film seine “Berlin Trilogie“ beendete.
Wie schon zuvor interessiert sich Arslan hier für das Leben türkischstämmiger junger Menschen in Berlin. Er portraitiert die Synchronsprecherin Deniz, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hat. Nicht im migrantisch geprägten Kreuzberg oder in Neukölln lässt er sie umhertreiben, sondern am Schlachtensee im beschaulichen Grunewald. Bloß keine Klischees eben. Viel passiert auch hier nicht – Berliner Schule halt –, man erlebt sehr viel Alltag, und trotzdem vermag Arslan einen zu fesseln mit all dem Unspektakulären, das er auf seine ganz eigene Art aufzuzeigen vermag.
Und so wie man sich bei eigentlich all den Filmen der Reihe “Berlin Visionen“ ständig denkt, diese Ecke im Prenzlauer Berg oder jene Stelle, an der früher mal die Mauer stand, mal wieder oder endlich mal zu besuchen, kommt unweigerlich der Gedanke: zum Schlachtensee sollte man auch mal wieder fahren.
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