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Housing First in NorddeutschlandEigener Herd ist Goldes wert

Housing First gehört zu guter Wohnungslosen-Politik. In Hamburg steht nun endlich fest, wer das Projekt umsetzen soll. In Bremen ist man weiter.

Je länger sie andauert, desto schwieriger, wieder rauszukommen: Wohnungslosigkeit Foto: Jan Zier

Bremen taz | Ein eigenes Heim beziehen, ganz ohne Hürden? Für viele wohnungslose Menschen ist das unvorstellbar. Doch Housing First will genau das ermöglichen. In Bremen läuft das Projekt seit Herbst. Inzwischen sind elf Menschen aufgenommen worden, teilten die Träger-Vereine Wohnungshilfe Bremen und Hoppenbank mit. Drei von ihnen hätten ihre Wohnung bereits bezogen; zwei weitere stünden kurz davor. „Bei den restlichen sechs Personen sind die Vorbereitungen dafür ebenfalls angelaufen.“

Eine Voraussetzung für die Teilnahme gibt es, erklärt Projektkoordinatorin Anne Blankemeyer: die Fähigkeit, Absprachen zu treffen. „Damit sind Menschen, die schwer sucht­erkrankt sind, wahrscheinlich ausgeschlossen, solche, bei denen sich das ganze Leben nur um Konsum dreht.“

Wegen aggressiven Verhaltens aus anderen Unterkünften geflogen zu sein, sei dagegen kein Ausschlusskriterium. „Wir wollen genau die, die bisher durchs Hilfesystem gefallen sind“, sagt Blankemeyer. Wer auffällig sei, könne schließlich daran arbeiten. Zumal es oft die Szene sei, die überhaupt aggressiv mache.

Die Idee hinter Housing First ist genau diese Bedingungslosigkeit. Wer mitmacht, muss nur eine grundsätzliche Bereitschaft zeigen, „zumindest lose mit einem Sozialarbeiter zusammen zu arbeiten“ und einen Mietvertrag zu unterschreiben. So steht es in der Ausschreibung. Da steht auch: „Anders als in anderen Projekten soll nicht zur Voraussetzung gemacht werden, dass der Betreffende zum Beispiel abstinent lebt oder einer Behandlung einer psychischen Erkrankung zustimmt.“ Die Wohnung ist dabei der Ausgangspunkt für alles Weitere.

Projekt in der Szene bekannt

„Anschließend und davon unabhängig werden weitere Probleme bewältigt, um den Weg in ein geordnetes Leben zu schaffen“, heißt es in der aktuellen Erklärung der Träger. Im frisch bezogenen Büro in der Bremer Innenstadt gebe es daher auch soziale Angebote und Freizeitbeschäftigungen; der Ort solle als Treffpunkt und Anlaufstelle genutzt werden.

„Die Teil­neh­me­r:in­nen kommen auf uns zu“, erzählt Blankemeyer. Das Projekt habe inzwischen eine hohe Bekanntheit in der Szene, auch durch die Mitarbeitenden, die selbst einmal wohnungslos waren. Zudem riefen Streetworker bei Bedarf an. In Bremen leben laut Blankemeyer rund 600 Menschen ohne Wohnung. „Nicht mitgezählt sind jedoch die, die in merkwürdigen Beziehungsverhältnissen auf Sofas leben.“

Vier der Teilnehmenden seien Frauen. In der Ausschreibung durch die Bremer Sozialsenatorin hieß es, dass ein Frauenanteil von 25 bis 30 Prozent sicherzustellen sei. Denn in etwa so viele Wohnungslose sind Frauen.

Um Wohnungen zu finden, kooperiere das Projekt mit privaten Ver­mi­eter:in­nen und den Wohnungsbaugesellschaften Vonovia, Brebau, Gewoba sowie Haus und Grund, sagt Blankemeyer. Zudem könne die Stadt über sogenannte Belegrechte Wohnungen mieten.

Unbefristete Mietverträge

Aus einer aktuellen Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass über dieses Instrument bislang acht Wohnungen angemietet wurden. Über 23 weitere werde verhandelt. Bisher sei eine Teilnehmerin in eine dieser Wohnungen gezogen, sagt Blankemeyer. „Wir gucken genau, ob die Wohnungen zu den Menschen passen.“

Das Projekt läuft bis Ende 2023. Im laufenden Jahr soll 30 Teil­neh­me­r:in­nen zu einer eigenen Bleibe verholfen werden; im kommenden Jahr nochmal so vielen. Deshalb werde weiteres Personal eingestellt, auch wenn der Betreuungsbedarf wohl sinken werde: „Der ein oder andere wird sich dann ein soziales Netzwerk aufgebaut haben“, sagt Blankemeyer. „Sie dürfen sich aber natürlich wieder melden, wenn nochmal ein Brief vom Amt kommt, der überfordert.“

Auch wenn das Projekt ausläuft: Die Mietverträge bei Housing First sind unbefristet. Theoretisch dürfen die Teilnehmenden also für immer bleiben. Wenn auch nach den zwei Jahren Betreuungs- oder Pflegebedarf besteht, erklärt Blankemeyer, „würden wir Ex­per­t:in­nen installieren, wie etwa einen Pflegedienst“.

In Hamburg ist das im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehaltene Housing-First-Projekt noch in der Vorbereitung. Doch jetzt stehen immerhin die Träger schon einmal fest: Ein Verbund aus dem Diakonischen Werk Hamburg, der Benno und Inge Behrens-Stiftung und dem Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost soll das Projekt umsetzen. Das teilte die Sozialbehörde am Montag mit.

Hamburg möchte evaluieren

Der Projektstart ist für Anfang Juli vorgesehen, die Laufzeit auf drei Jahre ausgelegt. 30 Wohnungen sollen vermietet werden. 880.000 Euro stellt die Sozialbehörde dafür zur Verfügung.

Die Bürgerschaft hatte das Projekt im Juni auf den Weg gebracht. Verschiedene Ak­teu­r:in­nen kritisierten damals, dass die Umsetzung zu lange dauere und die geplante wissenschaftliche Evaluation unnötig sei. Housing First sei bereits gut erforscht. Das Konzept wurde in den 90er-Jahren in den USA entwickelt.

Doch Hamburg möchte nicht nur „obdachlose Menschen langfristig in eigenem Wohnraum stabilisieren“, sondern auch „Erfahrungen darüber gewinnen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen als ergänzendes Instrument Bestandteil des Gesamtkonzeptes Wohnungslosenhilfe werden kann“.

In Hannover sieht das Housing First-Projekt etwas anders aus als in den Hansestädten: Hier hat die Stiftung „Ein Zuhause“ ein Gebäude mit 15 Wohnungen im Stadtteil Vahrenwald gebaut. Das Grundstück stellt die Stadt im Rahmen eines Erbpachtvertrags. Bereits im März vergangenen Jahres sei das Haus bezogen worden, sagt Andreas Sonnenberg, Vorstand des Trägervereins Werkheim. Nach Angaben der Stiftung leben in Hannover rund 4.500 Menschen auf der Straße.

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1 Kommentar

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  • Es fällt auf, dass die Anzahl der Wohnungen, die für "Housing First" bereitgestellt werden, in allen drei Städten nur einen verschwindend geringen Bruchteil der Zahl der Wohnungslosen ausmacht. Anscheinend wollen Stadtverwaltungen die Wohnungslosigkeit nicht wirklich entschlossen bekämpfen, sondern die regelhafte Einführung von "Housing First" auf die lange Bank schieben bzw. im Falle Hamburgs "totprüfen".