Schulplatzmangel und Ukraine-Krieg: Neue Schulen braucht die Stadt
Geflüchtete Kinder aus der Ukraine sollen möglichst schnell in die Schulen integriert werden. Doch man finde kaum Plätze, warnt das Bezirksamt Mitte.
2.600 Geflüchtete aus der Ukraine haben sich laut dem Sozialamt Mitte allein in den vergangenen 14 Tagen im Bezirk registriert. Die Datenlage, wie viele schulpflichtige Kinder sich darunter befinden, sei derzeit jedoch noch schlecht, sagte, sagte die Bezirksstadträtin für Bildung, Sport und Kultur, Stefanie Remlinger (Grüne). Sie verwies auf „begründete Schätzungen“, die sich aus den Erfahrungen aus 2015 ableiten ließen. Demnach seien mindestens 30 bis 40 Prozent der Geflüchteten im Kita- oder Schulalter.
50 bis 60 der insgesamt 250 Willkommensklassen, die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) vergangene Woche angekündigt hat, will der Bezirk Mitte zur Verfügung stellen. Doch das Bezirksamt warnt bereits: „Für ukrainische Kinder sind aktuell kaum Schulplätze zu finden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Laut Remlinger sei der Bezirk für die Betreuung der ukrainischen Kinder auf außerschulische Räume angewiesen – und auf Hilfe vom rot-grün-roten Senat. „Das Schweigen vom Land dazu war bis jetzt ohrenbetäubend“, so die Bezirksstadträtin.
Mehr als 300 ukrainische Lehrerinnen mit sehr guten Deutsch-Kenntnissen haben sich bereits in Berlin beworben, um etwa in Willkommensklassen zu unterrichten. Das sagte Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) am Freitag beim Besuch einer Willkommensklasse am Lessing-Gymnasium in Mitte gemeinsam mit Bundesbildungsminsterin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Außerdem könnten in der Hauptstadt über 3.000 Plätze in Willkommensklassen angeboten werden. Rund 500 Kinder und Jugendliche werden bereits in den Klassen unterrichtet und 50 Kinder pro Bezirk seien in Regelklassen untergebracht, so die Bildungssenatorin. „Der Motor dieses Erfolgs ist die unglaubliche Solidarität“, so Busse.
Bis zu 100.000 Geflüchtete erwartet die Regierende Franziska Giffey in Berlin. „Wir gehen davon aus, dass wir wahrscheinlich 50.000 bis 100.000 Menschen hier in Berlin haben werden“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag nach einem Besuch im Landesamt für Einwanderung (Lea). „Das ist immerhin ein Drittel Bezirk. Das ist eine sehr große Herausforderung.“ (dpa)
Kapazitätsengpässe und ein Sanierungsstau sind an den Schulen in Berlin Mitte seit Jahren ein Problem. Eine „Schulbauoffensive“ soll daher in den kommenden fünf Jahren die Sanierung und den Neubau von Bildungseinrichtungen im Bezirk vorantreiben.
Zwischen 2011 und 2021 ist die Einwohnerzahl in Berlin Mitte laut Ephraim Gothe (SPD), Stadtrat für Stadtentwicklung, um 60.000 auf insgesamt 385.000 Menschen gestiegen. Bis 2040 sollen nochmal 12.000 Menschen dazukommen. Zwar wisse man noch nicht, wie sich die Lage mit den Geflüchteten aus der Ukraine weiterentwickle. Es sei aber davon auszugehen, dass sich auch daraus „Bedarfe für die soziale Infrastruktur“ ergeben, so Gothe.
Schon länger geplant sind neun Neubauten von Grund- und Oberschulen, unter anderem in der Reinickendorfer Straße, der Panckstraße und in einem neuen Quartier in der Nähe vom Hauptbahnhof. Die Bauvorhaben sind unterschiedlich weit fortgeschritten, eine Grundschule am Nordhafen soll bereits zum kommenden Schuljahr eröffnet werden.
Außerdem sieht der Bezirk vor, zwei ehemalige Schulstandorte zu „reaktivieren“ – Remlinger spricht von einer „strategischen Reserve“: Die ehemaligen Bildungseinrichtungen wurden im Zuge von Sparmaßnahmen geschlossen und vermietet: In dem Gebäude in der Levetznowstraße sitzt eine Filmproduktionsfirma, in der Gothenburgstraße hat die Arbeiterwohlfahrt eine Geflüchteten- und Obdachlosenunterkunft errichtet. Ein 85 Millionen schweres Großprojekt steht am der Bernauer Straße an: Die Ernst-Reuter-Schule muss kernsaniert werden, unter anderem, weil das Gebäude asbestbelastet ist.
Darüber hinaus soll Taskforce „Schulbauoffensive“ im Bezirk in den kommenden Monaten weitere Bau- und Sanierungsprojekte in die Wege leiten: Von der Berechnung der benötigten Kapazitäten, über die Baupläne, bis hin zu den notwendigen Genehmigungsverfahren.
Wie viel das genau kosten solle, könne man nicht seriös beantworten, bevor die Bedarfsprogramme erarbeitet seien, so Remlinger am Freitag. Man gehe aber davon aus, dass die „Schulbauoffensive“ in den kommenden fünf Jahren ungefähr eine halbe Milliarde Euro kosten wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden