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Antikriegslied von russischer SängerinSeufzen gegen den Krieg

Popstar Zemfira veröffentlicht das Lied „Ne Strelayte“ erneut. Es wird zur Hymne der russischen Antikriegsbewegung.

Zemfira bei einem Konzert in der russischen Stadt Kasan, 2013 Foto: Imago

„Nicht schießen … In diesem Zimmer ist die Liebe, die nackte Liebe“, singt die russische Singer-Songwriterin Zemfira. Ihr „Не Стреляйте“ (Ne Strelayte) betiteltes Lied endet mit einem flehenden Appell: „Schweigt nicht! Ich gehe zugrunde in dieser brüchigen Stille! Schweigt nicht!“ Zemfira ist der Künstlernamen von Semfira Talgatowna Ramasanowa, die seit Langem ein Star in der russischen Popszene ist. Sie hat das Lied bereits 2005 komponiert.

Die Schwarz-Weiß-Aufnahme des Videoclips, die seit einigen Tagen wieder auf Youtube zu finden ist und millionenfach geklickt wird, wirkt etwas aus der Zeit gefallen und maximal uninszeniert: Weiße Wand, Keyboard und Zemfira im schwarzen T-Shirt. Zärtlich tippt sie in die Tasten, blickt in die Kamera und singt mit ihrer klaren und gleichzeitig brüchigen Stimme: „Nicht schießen … Ich bin doch nur ein schüchternes Flüstern, ein leises Seufzen …“ Der „neue“ Clip geht dann über in einen Instrumentalteil – einem von einer rockigen Gitarre angeführten Klangteppich, der die Wirkung der Fotografien von den Kriegszerstörungen in der Ukraine, die nun gezeigt werden, verstärkt.

Vielfach werden diese Aufnahmen in einem Triptychon gebündelt, was Zemfiras Aussage nochmals potenziert. Aufnahmen von Antikriegsprotestierenden in Russland, die von Putins Nationalgarde geknebelt und abgeführt werden, stehen am Ende des vierminütigen Videos. Die Schluss­einstellung ist ohne Musik. Ein am Boden liegender geknebelter Mann ruft flehend-verzweifelt: „Menschen!“, ungläubig, dass seine Mitmenschen zu so etwas fähig sind.

Sprechen in Metaphern

Zemfira, seit Anfang der nuller Jahre in Russland bekannt für ihren poe­tischen und melancholischen Pop, spricht in ihren Songtexten, die sie alle selbst dichtet, gerne in Metaphern. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat ihr „altes“ Lied „Ne Strelayte“ nun eine fulminante neue konkrete Bedeutung gewonnen, der sich die 45-jährige Sängerin gestellt hat.

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Ne Strelayte

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Zemfira hat sich bereits am 24. Februar öffentlich gegen den Krieg positioniert und ihrem Instagram-Account ein schwarzes Quadrat mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ hinzugefügt. Am 25. Februar fand in Moskau ihr seit Langem geplantes Konzert statt, nachdem sie im Januar ein neues Soloalbum veröffentlicht hatte.

Das Lied „Nicht schießen“ einen Tag nach Kriegsbeginn auf einem Konzert live zu singen, war ein weiteres Statement, dem dann der Clip folgte, der am 17. März online gestellt wurde. Auf Zemfiras Instagram-Account wurde er bis jetzt mehr als 1,3 Millionen Mal angeschaut, auf Youtube rund eine Million Mal.

Keine Angst vor kontroversen Themen

Zemfira, die Liedermacherin, kommt aus Ufa im Ural. Anfang der nuller Jahre brach sie wie ein Komet in die russische Musikszene ein und eröffnete mit ihren Liedern, etwa über Aids, Diskursräume, die es so im russischen Musikbusiness vorher nicht gab. Inzwischen hat sie Russland den Rücken gekehrt. Wie so viele andere Kulturschaffende nach Kriegsbeginn. Ihre Stimme wird definitiv in Russland fehlen. Denn Zemfira hat die dortige Musikszene nicht nur mit ihrer Poesie bereichert, die sie mit sensiblen, von ihr selbst komponierten Melodien und Songs verbindet.

Mit Zemfira ist auf der russischen Musikbühne endlich ein neuer Frauentyp angekommen: die androgyne Frau, Mitte 20, mit kurzen, punkigen Haaren, in Jeans und T-Shirt gekleidet, fast ungeschminkt – die sich mit einer Gitarre in der Hand an den Bühnenrand setzt und einfach spielt. Eine Sängerin, die viele Showeffekte nicht braucht und auch nicht will. Und die vor allem ihre eigenen, nur auf Russisch geschriebenen Texte so vorträgt, dass eine Glaubwürdigkeit erzeugt wird, die selten ist im gegenwärtigen russischen Musik-Biz.

Es gibt nur eine Sängerin, die ihr in dieser Hinsicht ebenbürtig ist: Alla Pugatschowa, die Grande Dame des sowjetischen und postsowjetischen Schlagers. Beide könnten in ihrer Ausstrahlung, ihrer Stimme, ihren Texten unterschiedlicher nicht sein, aber sie sind vereint im vielleicht Wichtigsten: Sie verkörpern total, was sie singen. Diese Unmittelbarkeit, die so in jedem Moment wieder neu entsteht, erzeugt Gänsehaut. Zemfira singt: „Ich sterbe, wenn ich sehe, was ich sehe und nicht darüber singen kann.“

Alla Pugatschowa schrieb vor Jahren das Lied „Krieg“ und fragt sich: „Und wie konnte das passieren: solche Grausamkeit und Tod und Krieg?“ Auch Pugatschowa, inzwischen über 70, hat Russland als Reaktion auf den Kriegsausbruch verlassen. Russland verwaist auch musikalisch. Zusätzlich werden Instagram und Youtube gesperrt. Am Ende ist Stille.

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1 Kommentar

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  • Trotz der "Stille" gibt sie mir Mut