Andreas Speit Der rechte Rand: Wo Rechtsextreme bewaffnet sind
Faszination für Waffen und rechtsextremes Denken: In Hamburg scheint diese Verbindung nicht unbedingt ein Ausschlussgrund für einen Waffenschein zu sein. Laut dem Hamburger Senat dürfen 20 Personen, die vom Verfassungsschutz als „Extremisten“ eingestuft sind, ganz legal Waffen besitzen. „Vor allem im rechtsextremen Bereich gebe es eine Zunahme waffenrechtlicher Erlaubnisse“, sagt der Innenexperte der Linksfraktion, Deniz Celik. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor.
Dabei hatte der Senat vor knapp zwei Jahren noch auf eine Anfrage der Oppositionspartei geantwortet, dass „der legale Waffenbesitz“ im Rahmen der „laufenden Überprüfungen weiter zurückgehen“ werde. Damals hatte der Bundestag gerade Änderungen im Waffengesetz beschlossen. Seither ist eine „Regelabfrage“ bei den Verfassungsschutzbehörden obligatorisch, bevor die Behörden einen Waffenschein ausstellen. Der erwünschte Effekt blieb aber offenbar aus.
Aus der aktuellen Antwort des Senats geht hervor, dass 2016 noch sechs Personen aus diesem Spektrum über eine Erlaubnis für den Besitz von Waffen verfügten, 2020 aber bereits zehn Personen und Ende Februar 2022 zwölf Personen. Sie stammen aus der NPD, sind Teil der Aktion „Michel wach endlich auf“, der „Europäischen Aktion“ – einem Zusammenschluss von Holocaustleugnern –, der germanischen „Artgemeinschaft“ oder der subkulturell geprägten Szene. Ein Fall wird noch geprüft.
Hinzu kommen sieben Menschen aus der Gruppe der „Reichsbürger und Selbstverwalter“, die einen Waffenschein besitzen. Ganz legal hat auch eine Person aus dem vom Verfassungsschutz neu definierten Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eine Waffenerlaubnis. Im April 2021 führte das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ diesen neuen Bereich als eine Reaktion auf die Querdenken-Bewegung sowie die Coronaleugner-Szene ein.
Diese Bewaffnung sei ein „Anlass zur Sorge“, heißt es aus der Linksfraktion – auch vor dem Hintergrund von Idar-Oberstein. In der Stadt in Rheinland-Pfalz erschoss im September 2021 ein Querdenkender, der rechtsextremen Personen in den sozialen Medien folgte, einen Tankstellenmitarbeiter. Der Mitarbeiter hatte den späteren Täter auf die Maskenpflicht hingewiesen. Wütend ging der heute 50-Jährige raus, kam später wieder und schoss. Er habe ein „Zeichen setzen“ wollen, hieß es von der Staatsanwaltschaft bei dem im März begonnenen Prozess vor dem Landgericht Bad Kreuznach. Die Waffe des Mannes war nicht von den Behörden genehmigt.
„Der tödliche Schuss auf den jungen Tankstellenmitarbeiter aus der Waffe eines Corona-Maßnahmen-Gegners habe gezeigt, dass verbale Drohungen und Gewaltfantasien auch in die Tat umgesetzt werden“, sagt Celik. Die „zahlreichen Morde und Anschläge in den vergangenen Jahren“ hätten „das tödliche Potenzial rechter Ideologie“ immer wieder belegt, so der Abgeordnete.
Der Senat selbst sieht die Zahl der Waffenscheine in der rechtsextremen Szene „seit Jahren auf einem sehr niedrigen Stand“. Seit 2020 entzogen die Hamburger Behörden zudem auch fünf Rechtsextremen die Waffenerlaubnis sowie je zwei Reichsideologiebewegten und Querdenkenden. Das dürfen die Behörden, wenn die Personen die „erforderliche Zuverlässigkeit“ für den Besitz einer Waffe nicht mehr aufweisen, etwa weil sie Straftaten begangen haben oder ihnen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung nachgewiesen werden konnten.
Im Einzelfall liegt wohl die Schwierigkeit. Celik sagt: „Dass immer mehr Rechte, Reichsbürger und Querdenker legal Waffen besitzen dürfen, ist nicht hinnehmbar.“ Nazis und andere Menschenfeinde seien vollständig zu entwaffnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen