hannoversche szene: Klitschko bittet per Videoschalte um Hilfe
Es sind eindrückliche Worte, die Vitali Klitschko an den Rat der Stadt Hannover richtet: „Wenn Sie Geld nach Russland schicken, ist das blutiges Geld.“ Der Bürgermeister von Kiew und ehemalige WBC-Schwergewichts-Champion spricht per Videoschalte aus der ukrainischen Hauptstadt. Man sieht ihm an, dass er seit Wochen Bürgermeister einer belagerten Stadt ist.
Klitschko wirkt müde, dennoch spricht er ruhig, klar verständlich, gefasst. Er bedankt sich für die humanitäre Hilfe aus Deutschland, bedauert jedoch, dass es in Deutschland nach wie vor viele Putin-Versteher gebe. Er fordert weitere Sanktionen gegen Russland und bittet um Waffenlieferungen für die Ukraine.
Vitali Klitschko hat Verbindungen zu der Stadt, an die er seine Worte richtet: Am 25. November 2000 errang er dort in der damaligen Preussag-Arena den Europameister-Titel im EBU-Schwergewicht, 2003 trug er sich zusammen mit seinem Bruder Wladimir in das Goldene Buch Hannovers ein.
Am Nachmittag des 31. März berichtet er dieser Stadt von persönlichen Begegnungen während der Belagerung Kiews: von einem Jungen, dessen Eltern ermordet wurden, von einem Mann, dessen Wohnung zerstört wurde und der sich weigert, seine Heimatstadt zu verlassen und diese stattdessen mit der Waffe verteidigen möchte.
Klitschko spricht auch über die russische Kriegspropaganda: „Die wichtigsten Waffen in diesen Krieg sind keine Raketen, keine Panzer, sondern die Medien.“ Die Behauptung, die ukrainische Regierung würde Russen hassen, sei absurd. Wie könne er Russen hassen? „Die Hälfte von meinem Blut ist russisches Blut“, sagt Klitschko, dessen Mutter Russin war. Die Forderung von Kiews Bürgermeister an die Deutschen ist deutlich: „Bitte, bleibt nicht passiv.“
Für Fragen ist nach der Rede keine Zeit. Klitschko muss weiter, zu einem Treffen mit der Feuerwehr. Anschließend wird im hannoverschen Rat für einige Sekunden geschwiegen, um der Opfer des Krieges zu denken.
Es ist jedoch ein anderer Moment von Klitschkos Auftritt, der sich besonders einprägt: Als er von den schrecklichen Bildern spricht, von denen er erzählen könnte, fällt es dem ehemaligen Profi-Boxer schwer, seine Tränen zurückzuhalten, bevor er feststellt: „Das ist kein Kino, das ist die Realität.“Lenard Brar Manthey Rojas
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