Reisen im Jahr 2022: Weniger Buchungen nach Kriegsbeginn
Klimakrise, Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine. Gereist wird in unruhigen Zeiten nur verhalten, wie eine aktuelle Auswertung nun darlegt.
Denn der Krieg in der Ukraine mit seinen noch nicht absehbaren Folgen für die Sommerreisesaison schürt, zusätzlich zur noch weiter andauernden Coronapandemie, neue Unsicherheiten. Es ist sicher kein guter Zeitpunkt für eine Ostseekreuzfahrt mit Höhepunkt Sankt Petersburg. Und was ist mit beliebten Urlaubszielen wie Bulgarien, der Schwarzmeerküste oder der Türkei?
„Ob und wie der Krieg die Reiselust der Deutschen beeinflussen wird, vermag niemand zu sagen“, so Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV). Martin Lohmann, wissenschaftlicher Leiter des Tourismusforschungsinstituts NIT, beschäftigt sich seit 1986 mit den Auswirkungen von Krisen auf das Reiseverhalten. Er behauptet, dass in den vergangenen 50 Jahren Kriege und Terroranschläge die Verbraucher aus Deutschland kaum vom Reisen abgehalten haben. Nur die Zielgebiete hätten sich verändert.
Flugtickets werden teurer
Gleichwohl ist klar, dass die Entwicklungen im Osten Europas die Möglichkeiten zu reisen und die Nachfrage nach Reisen in den kommenden Wochen und Monaten beeinflussen wird.
Der Krieg in der Ukraine legt nicht nur den Flugverkehr von und nach Russland lahm. Deutschland sowie alle weiteren EU-Staaten haben russische Maschinen aus ihrem Luftraum verbannt. Im Gegenzug hat Russland ein Flugverbot für die meisten europäischen Airlines verhängt. Reisende müssen umständlichere Verbindungen über Drittstaaten hinnehmen und mehr Zeit und Geld einplanen. Denn die gestiegenen Energiekosten wirken sich auf den Ticketpreis aus.
Wie sich der Krieg konkret auf die Flugpreise in diesem Jahr auswirke, sei derzeit allerdings noch unklar, sagt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ob die Preise jetzt, später oder gar nicht steigen, könne man noch nicht konkret sagen. Der Einfluss auf die Preisgestaltung der Fluggesellschaften sei dafür zu individuell.
Heinen erklärt: Einige Airlines betreiben Fuel Hedging, eine Absicherung an den Finanzmärkten. Dabei wird der Kaufpreis für Kerosin für einen gewissen Zeitraum festgelegt. Damit könnten die Verbraucherpreise zunächst stabil bleiben, zumindest für die Dauer dieser Verträge.
Doch lange Umwege nach Fernost, fehlende Passagiere und hohe Ölpreise: Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine gehen auch an der Lufthansa nicht spurlos vorbei. Der Lufthansa-Konzern stimmt seine Kunden auf steigende Ticketpreise ein. Wichtige Treiber seien der Ölpreis sowie steigende Gebühren an Flughäfen und bei den Flugsicherungen, sagte Finanzvorstand Remco Steenbergen bei der Bilanzvorlage des Konzerns in Frankfurt.
Gleich zu Hause bleiben?
Wer dann doch lieber zu Hause bleiben will, kann eine bereits gebuchte Reise stornieren, wenn „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ deren Durchführung oder die Beförderung zum Urlaubsort „erheblich beeinträchtigen“. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts ist dafür ein Indiz. Für die Ukraine wurde sie ausgesprochen, für Russland jedoch nur für die Grenzregionen im Süden, für andere Osteuropäische Staaten gar nicht. Wer dort einen Urlaub gebucht hatte und ihn nun lieber nicht antreten möchte, kann zwar zurücktreten, muss aber mit Stornokosten rechnen.
Je näher die Abreise rückt, umso höher fallen sie in der Regel aus. Auch eine Reiserücktrittskostenversicherung hilft in diesem Fall nicht. Sie springt nur ein, wenn man beispielsweise vor der Abreise krank wird. Angst hingegen wird nicht als Rücktrittsgrund akzeptiert.
Wer noch nicht gebucht hat, kann sich – meist gegen Aufpreis – mit den Flex-Tarifen der Reiseveranstalter und Airlines etwas mehr Spielraum verschaffen. Solche Reisen können in der Regel kurzfristig noch abgesagt oder umgebucht werden. Auch viele Hotels kommen ihren Gästen entgegen, manche Häuser akzeptieren eine Absage noch am Anreisetag, ohne Geld zu verlangen.
Sicher ist: Deutschland bleibt Nummer 1 bei den Urlaubsreisen der Deutschen. Da weiß man, wie man hinkommt, was man hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“