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Tageszeitung „Neues Deutschland“„Was für ein Scheißladen“

Am Dienstag wurden Mitarbeiter und Umstehende der Tageszeitung Neues Deutschland bedroht und versucht anzugreifen. Ob das geplant war, ist noch unklar.

Am Dienstag wurde eine Scheibe im Eingangsbereich beschädigt Foto: Jürgen Ritter/imago

Zwei offenbar rechts gesinnte junge Männer haben am Dienstag Mitarbeiter der Tageszeitung Neues Deutschland und andere Umstehende bedroht und anzugreifen versucht. Der Vorfall ereignete sich kurz nach 16 Uhr am Franz-Mehring-Platz im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Das große Gebäude an diesem Platz ist unter anderem der Sitz der Tageszeitung Neues Deutschland, beherbergt unter dem Namen FMP1 jedoch auch zahlreiche andere Projekte. Ich selbst, taz-Redakteurin, war gerade zufällig für eine Podcast-Aufnahme da und wechselte nach der Arbeit vor dem Eingang des Gebäudes noch ein paar Worte.

In einer Ecke, wo eine junge Frau ihre Rauchpause machte, waren laute und aggressive Männerstimmen zu hören. Zwei stämmige und offenbar stark alkoholisierte Männer brüllten sie als „Fotze“ an und bedrohten sie. Einer der beiden war im Begriff, sie zu schlagen, der andere hielt ihn zurück. Die Frau flüchtete sich ins Innere des Gebäudes. Später erzählte sie, dass sie den beiden gesagt hatte, kein Interesse an einem Gespräch mit ihnen zu haben.

Als die wenigen Umstehenden draußen zu Ruhe aufriefen, bedrohte derjenige der beiden Männer, der zuvor den anderen beruhigt hatte, auch einen älteren Mann und schimpfte mehrfach, dass hier alles „Scheißlügenpresse“ sei. In dieser Situation kam der zweite der beiden Aggressoren dazu, der zuvor auf die junge Frau losgegangen war – um den anderen zu beruhigen. Es sah kurz so aus, als würde sich die Lage entspannen, doch dann echauffierten die beiden Männer sich erneut und rannten gemeinsam auf die Glastüren des Gebäudes zu, schlugen und traten dort zu.

Dort hatten sich ein paar Menschen gesammelt, die durch die lauten Stimmen aufmerksam geworden waren und guckten, ob sie einschreiten sollten. Die dort anwesenden Personen konnten ausweichen und den Schlag mit einer Glasflasche parieren, Scherben flogen. Einer der Aggressoren fiel, vermutlich wegen des Alkohols, bei seinem Versuch zu treten zu Boden. Das ND veröffentlichte auf Twitter ein Foto der beschädigten Glasscheibe am Eingang.

Ein Mitarbeiter des FMP1, Andreas Krämer, konnte einem Fußtritt der Angreifer noch ausweichen. Er hatte die beiden Männer schon wahrgenommen, bevor sie die junge Frau angegangen waren. „Die standen da schon vorher und haben gepöbelt“, sagte Kraemer der taz am Mittwoch. „Sie sagten, was für ein Scheißladen das sei.“ Worte, die er während des Vorfalls von den beiden Männern vernommen hat, waren Beschimpfungen als „Systemmedien“ und „Spalter“.

Die beiden jungen Männer liefen daraufhin schnell weg. Während eine der umstehenden Personen das Fahrrad los schloss, um ihnen hinterherzufahren, traf wenige Sekunden später ein Polizeiwagen ein – der Pförtner hatte die Polizei alarmiert. Der Versuch, die beiden Männer mit dem Polizeiauto oder dem Fahrrad noch einzuholen, scheiterte allerdings.

Unzweifelhaft scheint die rechte Gesinnung der beiden Angreifer, was durch die wiederholte Beschimpfung „Lügenpresse“ an alle Umstehenden erkennbar war. Zuvor hatten sie der jungen Frau erklärt, es gebe keinen Klimawandel und kein Corona. Unklar und vielleicht nicht unerheblich für das Tatmotiv bleibt, ob die beiden Männer von vornherein gewusst hatten, dass die linke Tageszeitung ND hier ihren Sitz hatte. Ob sie also schon im Voraus geplant hatten, die Menschen hier zu beschimpfen oder anzugreifen, und sich für diesen Zweck Mut angetrunken hatten. Denkbar ist auch, dass sie ohne Plan in alkoholisiertem Zustand vorbeikamen und in ihrer aggressiven Stimmung spontan handelten, als sie sich bewusst wurden, dass hier auch der Sitz einer linken Tageszeitung war. Beide wirkten stämmig und sportlich.

Zu dem Vorfall hat der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt nun Ermittlungen aufgenommen.

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1 Kommentar

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  • Das hätte sich die nd vermutlich auch nie gedacht, dass sie in der BRD als „Systempresse“ verfemt würde …