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Proteste gegen Nazis an und von der Leine

NAZI-DEMOS In Hannover und Hamburg demonstrierten am Wochenende tausende Menschen gegen Neonazi-Kundgebungen. Die Bilanz: Ein wütender NPD-Landeschef Jürgen Rieger und 60 Festnahmen

Mehr als 3.000 Menschen demonstrierten in Hamburg gegen die von Rieger initiierte Kundgebung

Bunt, laut und vielfältig – NPD und Kameradschaften waren in Hannover und Hamburg am Wochenende unerwünscht. Ein Neonazis-Aufmarsch an der Leine sowie eine Kundgebung an der Elbe verliefen unter lautstarkem Protest. „Haut ab“ und „keiner vermisst euch“ mussten die Neonazis sich in beiden Städten anhören.

Weitgehend friedlich verlief der Protest in Hannover. Bei strahlendem Wetter demonstrierten am Samstagvormittag über 3.500 Menschen gegen den Marsch. „Wir brauchen keinen braunen Mob“, rief Martin Kind, Präsident des Fußballclubs Hannover 96, den Demonstranten zu. Applaus auch für die Worte von Martin Tenge, Probst der katholischen Kirche: „Braune Soße darf in den Köpfen keinen Platz finden“. Am Nachmittag marschierten in der Südstadt rund 270 Neonazis um den NPD-Landeschef Adolf Dammann auf. Ein Marsch alleine als Wahlwerbung. Mit der Lautstärke hatte die Partei allerdings zu kämpfen. So durften die Lautsprecher die Grenze von 90 Dezibel nicht überschreiten.

Vor Ort wurde das, zum Ärger der Redner, gemessen. „Keiner hört euch, keiner hört euch zu“, schallte es dem niedersächsischen Chef der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“, Julian Monaco, entgegen. An der Route erwarteten Gegendemonstranten die Rechten außerdem mit Hinweisen zum Szene-Ausstieg. Vorbei mussten die Nazis auch am Henriettenstift, dessen Dach Demonstranten bereits gestürmt hatten und von dort aus protestierten.

Nach dem Grußwort von Hannovers Oberbürgermeisters Stephan Weil (SPD) bei der Gegenaktion enterte Lothar Pollähne (SPD), Bezirksbürgermeister der Südstadt, das Mikrophon und kritisierte die großräumige Absperrung des Viertel durch die Polizei. Man habe „eine große Party feiern“ wollen, sagte er. Aber alle Aktionen hätten, „ausfallen müssen“.

Jürgen Rieger, NPD-Bundesvize und Hamburger Landeschef, war dennoch angestrengt. Die Kundgebung in Hamburg am Freitag saß ihm noch in den Knochen. An dem Nachmittag hatten über 3.000 Menschen gegen die von Rieger initiierten Kundgebung gegen das Schanzenfest protestiert. Am Abend erwarteten mehrere Tausend Demonstranten die Neonazis am Berliner Tor. Dort harrten rund 100 Neonazis lange aus – still und leise, fehlten doch die Führer. Auf dem Weg zur Kundgebung hatten Demonstranten Rieger mit dem Lautsprecherwagen entdeckt. Daraufhin flogen Steine und Flaschen. Er musste umkehren. Rieger wetterte später: „Wir räumen mit dem Pack auf“.

Am Berliner Tor führten Flaschen- und Steinwürfe auf die Polizei zu Einsätzen, so Polizeisprecher Ralf Meyer. Daraufhin kam es zu massiven Auseinandersetzungen: Beamte schlugen auf Demonstranten ein, Demonstranten griffen Polizisten an. Ein Beamter gab sogar einen Warnschuss ab. Seinen Streifenwagen sollen Protestierende mit Holzlatten und Eisenstangen angegriffen haben. „Er war so besonnen, nur einen Warnschuss abzugeben“, betonte Polizeieinsatzleiter Peter Born. Im Laufe des Abend wurden Barrikaden angezündet, etwa 60 Randalierer nahm die Polizei fest. AS/MQ

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