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Frauen im JazzAußerirdische und all that Jazz

In Deutschland sind es beim Jazz nur 20 Prozent Frauen, die die Musik machen. Das Berliner Rejazz-Festival will an dieser Zahl etwas ändern.

Wenn Jazz und Trompete, dann wahrscheinlich Mann Foto: picture alliance/dpa

E s ist eine Frage der Sichtbarkeit, die man doch einfach nur herstellen muss. Und schon ist man mitten im Problem. Wenn man zum Beispiel im Pop oder Rock von Frauenbands schreibt, also Bands, in denen Musikerinnen die Musik machen, verweist man auf eine Besonderheit, macht sichtbar und erkauft sich das dadurch, dass die Norm bestätigt wird. Bands: prinzipiell männlich besetzt. Frauenbands: das nicht normale andere.

Ist wie im Fußball: Da gibt es Frauenfußball. Und Fußball.

Und damit zu einer Musik, die als besonders offen und dem kommunikativen Austausch verpflichtet gilt, einer Musik, die auf starre Regeln pfeift oder sich zumindest ein eigenes Lied drauf macht. So eine Musik soll doch der Jazz sein. Dazu mal ein paar Namen, wahllos als Reihung aus einem Lexikon gepickt, dem „Jazz Rough Guide“ aus dem Jahr 1999: Hans Koller. Lee Konitz. Bernd Konrad. Alexis Korner. Teddy Kotick. Peter Kowald. Carl Kress. Volker Kriegel (na, noch dabei?). Ed Kröger. Karin Krog.

Da fällt doch was auf? Lauter Männer. Dann mit Karin Krog, der norwegischen Sängerin, mal eine Frau.

Und dass dieses stark hinkende Ungleichgewicht kein am K festgemachter komischer Zufall ist, bestätigt sich im Lexikon von A bis Z.

Der Jazz ist männlich.

Die halbwegs aktuellen Zahlen dazu: Laut der Jazzstudie 2016 sind es in Deutschland beim Jazz etwa 20 Prozent Frauen, die die Musik machen. Männer: 80 Prozent. Und Frauen im Jazz machen den tendenziell singend: Bei den InstrumentalistInnen sind nur 12 Prozent weiblich, bei den SängerInnen liegen Frauen mit 86 Prozent vorn.

Das Rejazz-Festival in Berlin mit dem Motto „Frauen im Jazz“ (was nicht heißen soll, dass da nur Frauen auf der Bühne stehen) will, dass es nicht bei solchen Zahlen bleibt. Diese Woche konnten endlich die letzten Konzerte des pandemiegebeutelten Festivals stattfinden, die eigentlich noch zur 2021er Ausgabe zählen. Eine weitere Rejazz-Runde ist für Ende des Jahres geplant.

Nun ist aber hier zur Herstellung von Sichtbarkeit einiges über die Umstände zu lesen gewesen und noch kein Wort über die Musik, um die es doch gehen soll. Am Mittwoch gab es da im Jazz Institut Berlin (das Verhältnis der Studierenden dort derzeit: etwa 20 zu 80 Prozent) mit dem Zuza & Morten Duo zart selbstbewusste Lieder zu hören, das Trio Rosemarine machte eine popvertraute und sich auch auf Club-Tanzböden zurechtfindende Musik, zu der man gar nicht mehr unbedingt Jazz sagen muss, und Mia Gjakonovski Cloud Research spielten einen manchmal loungelässigen, manchmal freundlich jazzrockenden Jazz, in dem sich auch Spuren von Balkanmusik fanden. Als dann noch die Stimme technisch manipuliert wurde, hätte man sich das gut auch als den Beitrag von geschlechterindifferenten Aliens vorstellen können mit einer einfach – doch – flotten Musik.

Wobei man dann abseits von Genderfragen aber auch gleich wieder hätte fragen müssen, was die Außerirdischen mit dem Balkan zu tun haben.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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1 Kommentar

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  • Bei all der ironisch-distanzierten Schreibe vermisse ich die klare Positionierung des Autors zur eingangs durch die Zahlen korrekt dargestellten Problematik. Wie hält er es denn mit der Frage nach Sichtbarkeit von Künstlerinnen, z.B. im Jazz? Ist er darüber verwundert, dass Frauen im Jazz letztlich nicht wütende Musik, sondern eben die Musik, zu der sie sich berufen fühlen, ganz selbstverständlich und „einfach so“ spielen? Und wenn er das Gehörte und Erlebte nicht sinnvoll in einen größeren Kontext setzen kann, weshalb muss er dann diesen Artikel schreiben? Elektr(on)ische Stimmverfremdung hat im Jazz übrigens eine lange Tradition und nichts mit den imaginierten Aliens zu tun. Eine der ersten prominenten Vertreterinnen war Urszula Dudziak, 1974.