Auf dem Dach von Berlin

Zurück zur Natur: Teile des Volksparks Friedrichshain werden seit einigen Jahren naturnah umgestaltet. Am Großen Bunkerberg sinddie Maßnahmen schon abgeschlossen. Jetzt kommt der Kleine Bunkerberg mit baulichen Erneuerungen an die Reihe

Süß: eine Blaumeise

Von Andreas Hergeth
(Text) und Bastian Thiery (Fotos)

Es ist ein bisschen wie in dem Roman „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann, halt nur im kleinen, eben im lokalen Rahmen: Im Herbst 2019, vor Beginn der Sanierungsmaßnahmen im Volkspark Friedrichshain, wurden die Höhen der beiden Bunkerberge aus den zur Verfügung stehenden Vermessungskarten neu bestimmt, damit die geplanten Baumaßnahmen korrekt ausgeschrieben werden können. Finden sich doch in vielen Publikationen und im Internet zu den Bunkerbergen unterschiedliche Höhenangaben. „Da wird der Große Bunkerberg schon mal auf bis zu 86 Meter geschätzt“, sagt Oliver Voge. Real ist der jedoch nur 78 Meter hoch und damit trotzdem die höchste Erhebung im Bezirk. Und der Kleine Bunkerberg wurde bisher meist mit 68 oder 72 Meter Höhe angegeben. „Exakt ist er jedoch nur 67,5 Meter hoch.“

Oliver Voge erzählt das auf dem Weg zum Großen Bunkerberg hinauf. Er schreitet schnell voran. Die kleine Entourage kommt kaum hinterher. Wir – vier Ver­tre­te­r:in­nen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg und der Autor dieses Textes – sind hier, weil der ach so stark frequentierte Volkspark Friedrichshain eine Art Generalüberholung verpasst bekommt. Schon länger. Man sieht es dem Park ja an.

Was alles geplant, was schon geschehen und was noch umgesetzt werden soll, hatte sich die taz bereits im Februar vergangenen Jahres bei einem langen Spaziergang durch den Park erklären lassen. Mit dabei war Clara Herrmann, die heutige Bezirksbürgermeisterin, damals als grüne Bezirksstadträtin neben Finanzen und Kultur auch für die Umwelt und damit die Parks zuständig. Und eben Oliver Voge, Sachgebietsleiter Natur- und Bodenschutz sowie Landschaftsplanung im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Diesmal ist die Gruppe größer. Die neue Stadträtin Annika Gerold (Grüne) ist dabei, ihr Ressort hat einen neuen Zuschnitt, sie ist für Verkehr, Grünflächen, Ordnung und Umwelt zuständig. Sie hat ihre Referentin (auch neu im Job) und einen Vertreter der Pressestelle des Bezirksamts im Schlepptau. Alle drei sind mit dem Umgestaltungsprojekt des Friedrichshainer Volksparks nicht vertraut. Der Termin mit der taz ist also eine gute Gelegenheit, das zu ändern.

Oliver Voge übernimmt wie seinerzeit kundig die Führung. Und staunt. „Die sind ja weiter, als ich dachte“, sagt Voge, er sei länger nicht hier gewesen. Aber der Reihe nach.

Vom Treffpunkt Märchenbrunnen geht es den Großen Bunkerberg hinauf. Nach ein paar überwundenen Höhenmetern bleibt Voge und damit der kleine Tross das erste Mal stehen. Der Wind heult uns um die Ohren. „Am Großen Bunkerberg sind die meisten Arbeiten schon abgeschlossen“, berichtet Voge und zeigt auf einen Baum, der offensichtlich beschnitten wurde. „Hier sieht man eine für die Bunkerberge ganz typische Graupappel, ein natürliches Hybridgehölz aus Silber- und Zitterpappel.“ Es handelt sich „um einen Baum, der hier im Park kaum eine Zukunft hat“.

Problembäume

Keine Zukunft? Was ist das Problem? „Pappeln sind Weichhölzer“, erklärt Voge. Und holt aus: „Das Grünflächenamt ist für die Verkehrssicherheit im Park zuständig. Gerade im Bereich der Wege muss deshalb sehr früh und sehr häufig mit Schnittmaßnahmen in den Gehölzbestand eingegriffen werden. An den Schnittstellen kommt es dann zu Rücktrocknungsprozessen“, sagt Voge, „oder Krankheitserreger dringen in das Holz ein. Die Schnittstellen faulen weiter nach innen, und die neu ausgetriebenen Äste an den Schnittstellen sind irgendwann übergewichtig und brechen aus, sodass die Kappungsstellen aus Verkehrssicherungsgründen meist regelmäßig nachgeschnitten werden müssen. Das Schneiden schwächt die Bäume, auch wenn Pappeln dies noch Jahrzehnte aushalten können.“

Pappeln werden an diesem Standort bis auf wenige Ausnahmen trotzdem im Durchschnitt nur 60 Jahre alt. Bei diesen Bäumen handelt es sich um die Pioniergehölze, aber auch Robinien, Spitz- und Feldahorn wurden in den 50er Jahren gepflanzt. „Die Bäume sollten damals nach dem Krieg schnell wachsen und die Hänge der Bunkerberge begrünen und sichern“, erzählt Voge. Das hat auch hervorragend geklappt, nun sieht das Sanierungskonzept jedoch neue zukunfts- und klimabeständige Baumgesellschaften vor.

Gerade an den lichten Stellen lässt sich auch für den Laien gut erkennen, was dafür alles schon getan wurde.

Am Großen Bunkerberg wurden hier und da großen Bäume und das Stangenholz entnommen, Sträucher stark beschnitten oder entfernt. In einigen Arealen liegen in Abständen von ein paar Metern Holzstämme wie eine Art riesige Freitreppe am Hang. Rund herum sind Heister gepflanzt, so der fachmännische Begriff für einjährig verschulte Triebe eines Baums. Tausende Sträucher und Heister wurden bereits eingesetzt, nicht alle haben die trockenen Sommer überlebt.

„In diesem Jahr wird die Neubepflanzung weitergeführt. Wieder kommen Hunderte Heister und Sträucher“ in die Erde, sagt Voge. „Damit die Sträucher eine Anwuchschance haben, werden die Pflanzgebiete temporär eingezäunt, die Parkbesucher werden mit Informationsschildern über die Maßnahmen informiert.“ Temporär heißt: für fünf Jahre.

Was für Sträucher werden eigentlich gepflanzt? „Je nach Hangseite ist das etwas unterschiedlich“, sagt Voge. „Ganz typische, meist gebietsheimische Sträucher mit unterschiedlichen Blühzeiten wie zum Beispiel Hartriegel, Haselnuss, Kornelkirsche und wilde Johannisbeere.“

Hoch zum Plateau!

Und jetzt die letzten Meter hoch zum Plateau. Das war das vergangene Jahr über wegen Sanierung gesperrt und ist nun längst wieder zugänglich. Und, um ehrlich zu sein, enttäuscht dann doch ob seiner Schlichtheit. Okay, da alle Maßnahmen im – wie es so schön heißt – Einklang mit dem Denkmalschutz stehen müssen, ging das wohl nicht anders. Was wurde getan?

Die beiden Bunkerberge stehen im Zentrum der Maßnahmen, die das „Schutz-, Pflege- und Entwicklungskonzept“ – kurz SPE – für den Volkspark Friedrichshain vorsieht. Das Konzept wurde bereits 2013 erstellt. Das Ziel: einen naturnahen Park mit einem waldartigen Baumbestand schaffen. Das soll durch eine „gelenkte Vegetationsentwicklung“ erreicht werden, je nach Hanglage mit jeweils verschiedenen Mischbeständen aus Eichen, Hainbuchen, Ahorn, Eschen, Winterlinden und vielen Sträuchern.

Kosten Die ursprüngliche Planung im Jahr 2015 sah 1,3 Millionen Euro Baukosten vor; mittlerweile muss aber laut Bezirksamt von 1,5 Millionen Euro Gesamtkosten ausgegangen werden. Die bisherige Investitionssumme beläuft sich derzeit auf etwa 900.000 Euro. (heg)

„Die Straße ist neu gepflastert worden“, zählt Voge die einzelnen Arbeiten auf. „Die Treppe wurde ausgebessert und ergänzt und mit einem stufenlosen Aufgang ergänzt. Das Plateau kann man nun fast barrierefrei erreichen. Auch die Randbefestigung wurde mit musterähnlichen Steinen denkmalgerecht erneuert.“

Oben auf dem Plateau stehen alte Linden – doch eine fehlt, nur die Steineingrenzung der Baumscheibe ist zu sehen: „Die Linde musste gefällt werden“, weiß Voge zu berichten. „Eine neue soll gepflanzt werden.“

Immerhin liegt hier oben einem die halbe Stadt quasi vor den Füßen. Noch vor drei Jahren war der Fernsehturm vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Nun aber sind Sichtachsen geschlagen worden. Wieder: „Die Sichtachsen orientieren sich an der Ursprungsidee der Parkgestaltung aus den 50er Jahren“, erläutert Voge das Vorgehen. Man kann in alle Himmelsrichtungen gucken. „Ein Kompromiss“, erläutert Voge das Vorgehen.

Das bedeutet, dass der Denkmalschutz auf diese Sichtachsen bestand? „Genau“, bestätigt Voge die Frage, „die ökologische Sanierung des Volksparks erfolgt ja auch unter Denkmalschutzgesichtspunkten. Es sind genau die Sichtachsen, die mit der Erstgestaltung in den 1950er Jahren angelegt wurden.“ Ein Hotspot für Tou­ris­t:in­nen und Anwohner:innen, keine Frage, das war schon immer so – und jetzt umso mehr. „Abends, wenn Sonnenuntergang ist, kann man hier super sitzen“, sagt Voge, „da ist richtig was los.“ Hier oben, auf dem Dach von Berlin, entstehen viele Fotos und Selfies.

Der Kleine Bunkerberg

Stadträtin Annika Gerold wirft an dieser Stelle passend in die Runde, dass der naturnah umgestaltete Volkspark und der neu gestaltete Aussichtspunkt „ein Mehr an Lebensqualität für die Anwohner“ bedeutet, man kann hier „den Blick schweifen lassen. Das hat schon einen Naherholungseffekt.“

Bleibt noch der Abstecher auf den Kleinen Bunkerberg. Wir nehmen jetzt nicht den flach ansteigenden, mäandernden Weg nach oben, sondern die Treppe, das geht am schnellsten. Man sieht deutlich, dass sie noch im alten Zustand ist. Und auch am Bestand der Bäume und Sträucher ist noch nicht so viel passiert.

„Hier am Kleinen Bunkerberg werden noch bauliche Anlagen erneuert, insbesondere Wege, und die Randbefestigung die Treppen entlang nach oben, die genauso denkmalgerecht erneuert werden wie am Großen Bunkerberg. Dort sind diese Maßnahmen ja bereits abgeschlossen.“

Auf dem Areal des Kleinen Bunkerbergs stehen immer wieder ein paar Nadelbäume, die trockenen Jahre haben ihnen sichtlich zugesetzt. Müsste man Kiefern und weitere immergrüne Bäume eines Tages fällen, würden wieder Nadelbäume gepflanzt, erzählt Voge, auch das sieht das Schutz-, Pflege- und Entwicklungskonzept (SPE) vor.

An dieser Stelle kommt Unmut auf. Karolin Behlert, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg, sagt auf Anfrage der taz: „Generell befürworten wir das SPE als nachhaltige Pflege- und Umgestaltungsmaßnahme einer unserer wenigen Grünanlagen im Bezirk, der ja bekanntlich die wenigsten Grünflächen berlinweit hat – und gleichzeitig am dichtesten besiedelt ist.“

Aktuell falle ihr „nur ein Haken am SPE auf“, sagt Behlert. „Wenn Nadelgehölze gefällt werden müssen, sollen sie gemäß dem Erstbepflanzungskonzept immer wieder durch Nadelgehölze ersetzt werden. Diese haben in unseren Breiten aber eigentlich nichts zu suchen.“

Auf dem Erstbepflanzungskonzept zu beharren hält sie daher für überholt. „Vielmehr sollte der Bezirk seinem 2014 beschlossenen Konzept des essbaren Bezirks dann mehr gerecht werden. Wieso nicht Obstbäume pflanzen, wo vorher eine Konifere stand?“

Oliver Voge (links), der Autor (Mitte) und Stadträtin Annika Gerold (rechts) auf dem Kleinen Bunkerberg

Oben auf dem Plateau des Kleinen Bunkerbergs angekommen, wartet so etwas wie ein kleines Paradies. Denn hier ist etwas Wunderbares entstanden und im letzten Sommer erblüht – im übertragenen wie wahren Sinne: Hier haben Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten ein Refugium.

Refugium für Insekten

Es gibt Stapel von Totholz, offene Sandflächen – wo gibt es die sonst schon? – gebietsheimische ein- und zweijährigen Blumen und Stauden (heißt: sie stammen aus in Brandenburg), dazu wachsen Schlehen und Wildrosen entlang eines Zauns, der das Gelände schützt.

Kinder und alle anderen, die das wollen, können hier Wildbienen und Co studieren. Ein begehbarer Lernort, der bisher noch nicht regelmäßig geöffnet ist. „Perspektivisch wird es aber einen eingezäunten Weg über diese Blühfläche geben“, sagt Voge. Er selbst hat zum Beispiel ein Käferhaus gebaut. „Das ist einfach ein altes Tonrohr, welches ich im Wald gefunden und mit Rinde und Moos gefüllt habe.“

Es gibt ein Sandarium, also eine sandige Fläche für Wildbienen, die ihre Eier in den Boden legen, eine Sonnensteinbank für die wärmeliebenden Insekten und eine Wasserstelle, auch die werden ja immer weniger – mit der gibt es allerdings ein Problem, lacht Voge: „Die muss im Sommer natürlich regelmäßig aufgefüllt werden!“ Wie die Wassertränken auf dem Balkon oder im Vorgarten.

Und am Fuße der alten Rodelbahn – wir sind schon wieder in Richtung Märchenbrunnen, unserem Ausgangsort, unterwegs, hält Voge ein letztes Mal inne: „Hier werden im Frühjahr Wildobstsorten gepflanzt“, sagt er und zeigt auf im Boden sichtbare kreisförmige Areale, wo schon Bodenmaterial für die Anpflanzung ausgetauscht wurde. „29 verschiedene Wildobstgehölze werden hier in Form eines dichten Hains gepflanzt, zum Beispiel Quitte, Schlehe, Wildapfel, Felsenbirne. Also keine Ertragsobstgehölze, sondern Wildobstgehölze.“ Jetzt im März geht das große Pflanzen los.