Trucker-Proteste in Kanada: Knüppel gegen Lkw-Fahrer
Kanadas Premier Trudeau zieht gegen die protestierenden Trucker die Daumenschrauben an. Sie sind aber eine heterogene Bewegung und keine Terroristen.

D er autoritäre Zug passt so gar nicht zum sonst so verständnisvollen Justin Trudeau. Verbal lassen sich seine Attacken auf die protestierenden Lkw-Fahrer in Kanadas Hauptstadt Ottawa – Trudeau hat die Trucker inzwischen de facto zu „Terroristen“ und „Aufständischen“ erklärt und mit Menschen verglichen, „die Swastikas schwenken“ – kaum weiter steigern.
Die Maßnahmen allerdings schon: Trudeau hat bereits den Notstand ausgerufen, während die Polizei angekündigt hat, das Protestcamp mit Hüpfburgen für Kinder und Grillbuden nötigenfalls mit Gewalt zu räumen. Alle Personen, die sich dort aufhalten, sollen dann festgenommen werden. Zuvor wurde ein Gesetz gegen Terrorfinanzierung ausgeweitet, das ursprünglich erlassen wurde, um die Finanzierung von al-Qaida und anderen Terrorgruppen zu stoppen.
Die Regierung des einstigen Sonnyboys Trudeau kann nun ohne Gerichtsurteil die Konten ihrer Bürger einfrieren und Crowdfunding-Plattformen verbieten. Sicherlich: Die Trucker sind bei der politischen Rechten beliebt, obwohl sie auf ihre politische Offenheit bestehen und das Angebot der Konservativen Partei zur Zusammenarbeit ablehnen.
Sie verstehen sich als Arbeiter, die über ihren Körper selbst bestimmen wollen und nach zwei Jahren genug von den Coronamaßnahmen haben. Wie auch immer man zu diesen Forderungen stehen mag: Die Trucker sind offensichtlich eine heterogene Bewegung, an der auch einzelne linke Gruppen teilnehmen und keine Terroristen.
Linke, die nun den Knüppeleinsatz gegen den selbsternannten Freiheitskonvoi fordern, sollten sich überlegen, was sie sich da wünschen: Dieselbe militarisierte Sprache und ähnliche Maßnahmen wurden in der Geschichte regelmäßig gegen streikende Arbeiter angewendet. Wer die Polizei gegen die Trucker anstachelt, könnte sich beim nächsten Streik um bessere Arbeitsbedingungen wundern. Es bedarf jetzt einer politischen Lösung. Die repressiven Maßnahmen der kanadischen Regierung müssen aufhören.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen