Olympia und seine ersten Male: Die ewige Premiere
Bei den Olympischen Spielen passiert immer und ständig etwas zum ersten Mal. Nur: In der Dauerschleife wirkt das Besondere schnell fad.
D ankbar soll ich sein, Zeuge dieser Olympischen Spiele sein zu dürfen. Das wird mir an jedem Tag überall, wohin mich mein Lauf durch den Coronaloop von Peking führt, gesagt. Ich darf historischen Ereignissen beiwohnen. Zwei Wörter sind es, die dabei immer wieder fallen: „First ever!“ Hier geschieht so viel, was es noch nie zuvor gegeben hat! First ever – dieses Wortpaar verfolgt mich seit der Eröffnungsfeier, in der Peking als First-ever-Stadt gepriesen wurde, die zu Olympischen Sommer- wie Winterspielen laden durfte.
Doch das war erst der Anfang. Dass Deutschland im Skeleton die First-ever-Goldmedaille gewonnen hat, wird man drüben in der Heimat gewiss registriert haben. Aber weiß man da auch von der First-ever-Shorttrack-Medaille für Belgien, die Hanne Desmet geholt hat? Vom First-ever-Gold für die USA in der Mixed-Staffel im Snowboardcross, was vielleicht nicht ganz so außergewöhnlich war, handelte es sich doch um die First-ever-Mixed-Staffel-Goldmedaille, die im Snowboardcross bei Olympia vergeben wurde. Es ist das First-ever-Mal, dass ich so viel Geschichte spüre.
Grauenhafter Ingwertee
Ich bin derart firsteverisiert, dass ich mir bei meinem First-ever-Besuch eines Langlaufrennens wie eine historische Persönlichkeit vorkomme. Ich frage mich, ob ich den First-ever-Bericht von mir über ein Snowboardrennen ausschneiden und einrahmen soll und bin mir sicher, dass mein First-ever-Verzehr des zuckersüßen Ingwertees, der im Skigebiet bei Zhangjiakou ausgeschenkt wird, Eingang zumindest in mein persönliches Geschichtsbuch finden wird. Er schmeckte grauenhaft.
Aber es muss ja nicht immer alles fantastisch sein, was historisch ist. Als die norwegische Ski-Freestylerin Sandra Eie beim Big-Air-Wettbewerb keinen einzigen sauberen Sprung landen konnte, meinte der Sprecher an der Anlage, sie solle dennoch stolz sein, denn schließlich sei sie dabei gewesen beim First-ever-Finale eines Wettbewerbs von der Big-Air-Schanze bei Olympischen Spielen. Das trifft ja irgendwie auch auf mich zu und so beschließe ich, ebenfalls stolz zu sein.
Und wenn einmal bei einem Wettkampf nichts passiert, was man als first ever bezeichnen könnte? Schwierig. Der Japaner Yuma Kagiyama, 18 und Zweiter im Eiskunstlauf, wurde vom Moderator der Pressekonferenz als der fünftjüngste Sportler vorgestellt, der je eine Medaille in diesem Wettbewerb gewonnen hat. Der Fünftjüngste! Ist das jetzt auch schon historisch?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Byebye Wissenschaftsfreiheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten