Start des Berlinale-Wettbewerbs: Gefangen im Melodram
50 Shades of Braun: Der Berlinale-Wettbewerb startet mit François Ozons allzu penetranter Fassbinder-Reminiszenz „Peter von Kant“.
Eine Hommage unterscheidet sich von der bloßen Anspielung vor allem durch eines: Deutlichkeit. Und tatsächlich gibt es nichts daran zu deuteln, dass François Ozon mit seinem neuen Film „Peter von Kant“ Rainer Werner Fassbinder Reverenz erweist.
Man muss noch nicht einmal besondere Filmgeschichtskenntnisse besitzen, um zu erschließen, dass der Titel sich auf Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ bezieht, ein ursprünglich von Fassbinder fürs Theater geschriebenes Stück, das er 1972 selbst verfilmt hat, mit Margit Carstensen und Hanna Schygulla in den Hauptrollen.
In Ozons Hommage sind drei der Figuren nun männlich statt weiblich, aus einer lesbischen Liebesverstrickung wird eine schwule – auch das ist aber weniger eine Umkehrung oder Revolutionierung der Perspektive als eine Verdeutlichung. Dass sich in der Modeschöpferin Petra von Kant und ihrem obsessiven Liebesgebaren ein Selbstporträt Fassbinders mehr oder weniger „verbarg“, gehört lange schon zur gängigen Interpretation.
Verdeutlichung over the top
Weshalb es fast ein bisschen ratlos macht, dass Ozon in „Peter von Kant“ seinen Hauptdarsteller Denis Ménochet in vielen Szenen mittels einzelner ikonischer Kleidungsstücke und Sonnenbrille auch äußerlich noch dem großen Vorbild anverwandelt. So deutlich, überdeutlich wird das Ganze, dass man fast verführt ist, „wir haben es kapiert!“ gen Leinwand zu rufen.
„Peter von Kant“, wieder zu sehen:
12. 2., 12 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 18. 2., 21 Uhr, Berlinale-Palast
20. 2., 18 Uhr, Friedrichstadt-Palast
Oder aber, wie in einer der Pressevorführungen geschehen, Szenenapplaus zu geben, wenn mit Hanna Schygulla als Peters Mutti, der sich verneigende Anschluss an die Originalbesetzung – Schygulla verkörperte bei Fassbinder das sich entziehende Objekt der Begierde Karin – vollzogen wird.
Ozon hat auch die theaterhafte Anmutung der Vorlage beibehalten. Die 90 Minuten Laufzeit teilen sich klar in verschiedene Akte, einziger Schauplatz ist Peter von Kants Wohnung, die nur zur Eröffnung des jeweiligen Akts in Außenansicht gezeigt wird: eine ausgebaute Remise mit einem hübschen Plätzchen davor, dahinter ist die Skyline von Köln mit dem Dom als Kulisse zu erkennen.
Geisterhaft alterslose Isabelle Adjani
Peter von Kant ist, das dürfte jetzt niemanden mehr wundern, ein Filmregisseur; die mit ihm befreundete Sängerin Sidonie (gespielt von einer fast geisterhaft alterslosen Isabelle Adjani) macht ihn mit dem jungen, schönen Amir (Khalil Ben Gharbia) bekannt. Peter bietet ihm eine Rolle und sein Herz an, und muss doch wenig später, als Amir zum Star aufsteigt, feststellen, dass er ausgenutzt wurde.
Völlig gefangen im eigenen großen Melodrama bleibt Peter blind dafür, dass er seinerseits Sekretär Karl (Stefan Crepon) immer nur befehligt und ausbeutet. „Karl! Hol den Champagner!“ – der Satz wird fast zum Running Gag. Auch hier neigt Ozon dazu, etwas zu verdeutlichen, was schon von der ersten Szene an klar ist. Und ja, die Zeilen vom Mann, der tötet, was er liebt, werden auch gesungen.
So eklatant ist der Mangel an Subtilität, dass man versucht ist, wenigstens im Umgang mit dem deutschen Setting etwas Spielerisches zu erkennen, im 70er-Jahre-Interieur mit seinen vielen Brauntönen, darin, dass Hanna „Mutti“ gerufen wird und Peter auch mal Lederhosen anzieht. Man hätte sich mehr Leichtigkeit und Ironie gewünscht.
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