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Kinderoper „Iwein Löwenritter“ in BonnMittelalter-Action im Zoo

Bei der Kinderoper „Iwein Löwenritter“ von Moritz Eggert und Andrea Heuser stimmt fast alles. Die Premiere an der Oper Bonn gerät bildgewaltig.

Zauberwald: Jakob Kunath (Gawein), Sarah-Léna Winterberg (Laudines Herz), Anton Kuzenok (Iwein) Foto: Thilo Beu

Diese Oper ist eine wahre Heldenreise – und zwar wortwörtlich. Am Anfang steht ein langweiliger Zoobesuch für die Brüder Leon und Gereon. Sie sitzen in T-Shirt, Sneakers und umgedrehten Caps auf einer Bank und interessieren sich mehr für ihre Handys als für die Tiere. Aber plötzlich beginnt der Löwe hinter ihnen zu sprechen, sein Käfig öffnet sich und die beiden werden in eine Zauberwelt gezogen.

Die Bühne der Oper Bonn verwandelt sich in einen verwunschenen Wald, der Opernchor in Hirsche, Füchse, Steinböcke, Bären und Ziegen und die beiden Brüder in die Ritter Iwein und Gawein samt Kettenhemd und Schwertern (Bühne: Thomas Stingl; Kostüme: Sven Bindseil). Weil jetzt auf einmal alles aufregend ist, sucht Anton Kuzenok als forscher Iwein nach Abenteuern.

Schnell wird es komplex: Er begegnet einem wilden Mann im Wald, der nur rückwärts spricht und nicht versteht, was Abenteuer sind. Dass Sprache auch eine Barriere sein kann und Worte nicht für je­de:n das Gleiche bedeuten, zieht sich durch die ganze Familienoper. Die Vögel im Wald singen beispielsweise auf Altdeutsch, was im Publikum sicher für manche eine Hürde darstellt.

Wagemutig durch den Wald schreiten

Vor gut achthundert Jahren hat der mittelalterliche Dichter Hartmann von Aue „Iwein“ verfasst. Dieses Werk war die Vorlage für den Roman „Iwein Löwenritter“ von Georg-Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe und die gleichnamige Oper in zwei Akten, die nun in Bonn uraufgeführt wurde. Die Musik von Moritz Eggert ist oft begleitend, manchmal kontrastierend. Als Iwein wagemutig durch den Wald schreitet erklingen Pauken und strahlende Bläser, als er wenig später gegen einen Burgherrn kämpft, werden die Pauken bedrohlich, die Bläser düster.

Iwein ermordet den Burgherrn und verliebt sich, umgeben von hellem Dur und frühlingshaften Streicherklängen, in die prinzessinnenhafte Burgherrin Laudine. Warum sich Laudine (Lada Bočková), trotz ehrlicher Trauer um ihren Mann, in dessen Mörder verliebt, bleibt bis zum Ende der Oper ein Rätsel.

Die Herzen der beiden finden nicht nur metaphorisch zueinander, sondern auch physisch – durch den Auftritt zweier Sopranistinnen mit Herzkörper, Engelsflügeln und Blumenschmuck. Sie tragen ein Tambourin bei sich, das sie in unterschiedlichen Rhythmen passend zu ihrem glockenhellen „Poch, poch“ schlagen. In einem liebestrunkenen Duett mit Plüschgirlanden der Holzbläser und flauschigem Streicherteppich tauschen Iwein und Laudine ihre Herzen.

Wartend und weinend

Weil das Glück in einer Abenteuergeschichte nie lange währt, tritt nun Gawein auf. Er überredet seinen Bruder, mit ihm in den Krieg zu ziehen, damit er sich dort Ruhm und Ehre erwirbt. Ganz dem Mittelalternarrativ folgend, bleibt Laudine zurück, wartend und weinend, und schenkt trotz Unverständnis für sein Weggehen Iwein zum Abschied einen Ring, mit dem er jedes Turnier gewinnt. Er muss allerdings in einem Jahr zurückkehren, so lautet ihre Bedingung. Iwein und Gawein aber vergessen sich im Gewaltrausch und die Frist verstreicht.

Zwischen den einzelnen Szenen fasst im ersten Akt ein Löwe, im zweiten Akt die Hofdame Lunete mit gesprochenem Text die Handlung zusammen, was dem Geschehen noch mehr Tempo verleiht. Die Mezzosopranistin Katharina von Bülow spielt mit sadistischer Freude Lunete, die Iwein verflucht, weil er sich nicht nach den Spielregeln verhalten hat.

Gekleidet in Schachbrettmuster, nimmt sie Iwein Ehre, Namen und Herkunft ab und verbannt ihn unter Getöse und Gelärme in den Wald mit dem wilden Mann. Da kann Iwein sich erneut beweisen und besiegt einen Drachen, einen Riesen und einen Ritter mit zwei Gesichtern.

Streicherkaskaden und groovige Rhythmen

Doch ohne Eggerts Musik wäre das alles nur halb so unterhaltsam. Leitmotive lassen Charaktere erkennen, schon bevor sie die Bühne betreten, Streicherkaskaden und groovige Rhythmen schmücken Abenteuer um Abenteuer. In Iwans letztem Duell ist die Musik dem Geschehen sogar voraus: Während sich Iwein vom vermeintlich guten Gesicht des Doppel-Ritters täuschen lässt, verraten die schiefen Bläserkommentare bereits dessen wahre Absicht.

Das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr flirrt, säuselt, tobt und poltert aus dem Graben, dass man seine wahre Freude hat. Dem actionreichen Geschehen nimmt die Inszenierung von Aaron Stiehl die Dramatik, indem sie Humor einbaut: Immer wieder erfolgen Gesten punktgenau zur Musik – ein Effekt, den man aus der Filmmusik kennt. Außerdem bewegen sich alle Figuren wie in einer zweidimensionalen Welt. Sie wenden dem Publikum nie ihr Profil zu, was mitunter zu lustigen Schrittarten führt.

Wie ausgeschnitten und aufgeklebt

Diese Optik erinnert zweifellos an die Illustrationen der Romanvorlage und wird durch die Kostüme noch verstärkt, die wie ausgeschnitten und aufgeklebt wirken. Andrea Heuser gelingt im Libretto Ironie, wenn sie singen lässt: „Manchmal ist es schwer, in einer Oper den Text zu verstehen.“ Das Libretto stellt wichtige Fragen zu Freundschaft, Liebe und Selbstverwirklichung, die allerdings so subtil eingewoben sind, dass sie im dichten Geschehen nicht genug Zeit zum Gären haben.

Eine Oper, bei der fast alles stimmt: Sie scheut keine Komplexität und überzeugt durch starke In­ter­pre­t:in­nen und eine bildgewaltige wie musikalisch stimmige Inszenierung. Leider ist sie aber doch eine Affirmation von stereotypen Geschlechterrollen, Narrativen und Heldenreisen.

Am Ende tosen nicht enden wollender Applaus und Bravo-Rufe durch die volle Bonner Oper.

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