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Nato-Russland-TreffenReden, aber nicht verstehen

Bei Gesprächen zwischen Russland und den Nato-Staaten beharrt jede Seite auf ihrem Recht. Die Ukraine hängt derweil weiter in der Luft.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, das Kriegsrisiko sei real Foto: Olivier Matthys/ap

Bei ihrem ersten Treffen seit mehr als zwei Jahren haben die Nato und Russland am Mittwoch in Brüssel keine Annäherung erzielt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte nach fast fünfstündigen Beratungen, es bestünden nach wie vor „erhebliche Meinungsverschiedenheiten“ mit Moskau im Ukraine-Konflikt und in der Sicherheitspolitik.

Die Nato wirft Russland vor, die Ukraine mit einem massiven Truppenaufmarsch und „aggressiver Rhetorik“ zu bedrängen. Die Führung in Moskau weist das zurück. Sie fordert ein Ende der Nato-Osterweiterung und Sicherheitsgarantien, damit die Ukraine nicht zur Bedrohung für Russland wird. Vor der Nato hatten bereits die USA direkt mit Russland diskutiert – ebenfalls ohne Ergebnis.

Stoltenberg sagte, die Alliierten seien zu Gesprächen über Abrüstung und vertrauensbildende Maßnahmen bereit. Die russischen Forderungen wies er jedoch scharf zurück. „Wir machen keine Kompromisse bei unseren Grundprinzipien“, sagte der Norweger. So habe Russland „kein Vetorecht in der Frage, ob die Ukraine Nato-Mitglied werden kann“. Die Tür für die Ukraine bleibe offen.

Die Nato hatte dem Land bereits bei ihrem Gipfel in Bukarest 2008 eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Deutschland und Frankreich lehnten damals aber einen sofortigen Beitritt ab. Seitdem hängt die Ukraine in der Luft. Im Falle einer russischen Invasion würde die Nato nicht militärisch zu Hilfe kommen, stellte Stoltenberg klar, denn das Land sei ja kein Mitglied.

Europäer einig bei Sanktionen

Zugleich drohte er Russland für den Fall des Angriffs mit massiven wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen. Allerdings kann die Nato gar keine Strafmaßnahmen verhängen. Die Hauptlast würden dann die EU und Deutschland tragen. Beim EU-Gipfel im Dezember haben sich die Europäer bereits zu Sanktionen etwa im Finanzsektor oder bei der Ostsee­pipeline Nord Stream 2 bereit erklärt.

Stoltenberg sagte, das Kriegsrisiko sei real. Gerade deshalb sei es aber wichtig, miteinander zu sprechen. Das Treffen sei „sehr nützlich“ gewesen, auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gegeben habe. Alle 30 Alliierten seien für eine Fortsetzung des Dialogs.

Allerdings sei unklar, ob Moskau zu einem weiteren Nato-Russland-Rat bereit sei. „Sie waren nicht in der Lage zuzustimmen.“ Umgekehrt war die Nato offenbar nicht bereit, auf die Forderungen Moskaus einzugehen. Russland habe seine Vorschläge auf den Tisch gelegt, so Stoltenberg. Aus Sicht der Alliierten gebe es aber keinen Grund, über die Ukraine oder die Nato-Erweiterung zu reden. Nicht die Ukraine bedrohe Russland, vielmehr sei es umgekehrt.

Zuletzt hatten sich jedoch gefährliche Begegnungen zwischen Nato-Einheiten und russischen Militärs gehäuft – nicht nur in der Ukraine, auch am Schwarzen Meer und im Baltikum. Russland sieht sich bedrängt und eingekreist – und fordert auch deshalb eine neue Sicherheitsordnung für die Ukraine und Europa.

Deutschland im Balanceakt

Die USA weisen dies jedoch als Versuch zurück, die alten Einflusszonen der Sowjetunion wiederherzustellen. Die EU, die von dem Konflikt in ihrer Nachbarschaft unmittelbar betroffen ist, schweigt. Die EU-Kommission war am Mittwoch auf einer internen Klausurtagung und gab keinen Kommentar ab.

Der russische Truppenaufmarsch sei eine „ernste Bedrohung der Sicherheit in Europa“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin und lobte zugleich, dass nun wieder Gesprächskanäle mit Russland genutzt würden. Die Bundesregierung wolle auch Gespräche im sogenannten Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) reaktivieren.

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8 Kommentare

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  • Die Mitglieder der Nato, zum Teil authentische Demokratien, sind in der Vergangenheit sehr auf Russland eingegangen, wohl in der Hoffnung, dass sich dort irgendwann vielleicht ein Parlamentarismus mit realer Gewaltenteilung, weniger Alkohol und mehr Frauenrechten etablieren würde. Noch 2012 behauptete Putin gar, er begrüße die guten Beziehungen der Ukraine zur EU. Nach der Flucht des Putin-Jüngers Janukowitsch und der Erschießung der "himmlischen Hundert" in Kiew war es damit vorbei.



    Klar, ein Nato-Beitritt 2008 hätte der Ukraine viel Leid erspart: Keine ca 15.000 Tote im Donbass, keine Folterungen, Entführungen und willkürliche Verhaftungen von Krim-Tataren oder Träger abweichender Meinungen im Donbass, keine etwa 2 Millionen Flüchtlinge/IDP's und keine so große Armut im Land, um nur ein paar Punkte zu nennen. Als die grünen Männchen ohne Abzeichen plötzlich in der Ukraine auftauchten, verfügte das Land über keine nennenswerte Verteidigungsarmee und konnte diese Annexion begrenzen, aber nicht aufhalten. Das hat sich inzwischen verändert. Jegliche Illusionen über Russland sind geschwunden, auch Finnland und Schweden werden sich bei weiteren Grausamkeiten des Paten Assads (des Schlächters von Syrien, siehe Taz-Titelseite) der Nato anschließen.



    Aber die Entwicklung einer Demokratie braucht viel Zeit, auch 2008 war in der Ukraine (trotz des Aufstands gegen Wahlfälschungen 2004, die 'orange revolution') die Finanzelite noch sehr eng mit der Politik verquickt. In der ukr Rada debattierten weniger die Vertreter des Volkes als Vertreter von Parteien, die direkt von Großindustriellen und Schlotbaronen gegründet worden waren, ohne Umwege über die Bürger. Heute ist die Ukraine viel freier und offener als Russland; es hätte auch umgekehrt kommen können, aber die Ukrainer haben sich gewehrt (die Russen natürlich auch, mit weniger Erfolg). Diese Ukraine darf nicht zu den erstarrten Verhältnissen der KGB-Zeit zurückkehren.

  • "Die Ukraine hängt derweil weiter in der Luft."

    Die Ukraine hängt mitnichten weiter in der Luft. Was Putin will, ist dass die Nato den Schutz für die Ukraine sein läßt und die Ukraine Freiwild werden läßt. Dieses Ziel hat Putin nicht erreicht. Er wird in den sauren Apfel beißen müssen, seinen Schwanz einziehen müssen und das drohende russische Militär vor der Ukraine abziehen müssen.

    • @Rudolf Fissner:

      Hmm? Wie war es eigentlich-im Rückblick?... die EU, als friedliche Allianz.. Osterweiterung: Polen, Ungarn, baltische Staaten usw... positive EU Kontakte in die Ukraine....



      .. und dann die Militarisierung der friedlichen EU Allianz durch USA und NATO?.. und dann die Angst/Panik Reaktion Russlands?



      Deeskalation immer noch möglich!



      ... allein weil die zivile EU, das zivile Russland, die zivile Ukraine keinen Bock



      auf Krieg haben...

      • @vergessene Liebe:

        Sie meinen Putin hat aus Panik die Ukraine überfallen? Das macht ihn nur doppelt so gefährlich. Gegen solche irrationalen Gefühlspolitiker hilft nüscht,

        • @Rudolf Fissner:

          Na na..?... das Rusland sich bedroht fühlt und ne' demilitarisierte Zone möchte... abzutun mit tendentiell klinischem Vokabular, eingekleidet in Arroganz... wirkt verhärtend.. und blockiert möglicje friedliche Allianzen...

          • @vergessene Liebe:

            auf derartige "friedliche" Allianzen kann eigentlich jeder verzichten. Es sei den man ist Tyrann und braucht jmd um sich gegen den Willen der Bevölkerung an der Macht zu halten.

          • @vergessene Liebe:

            Die Ukraine hat Russland noch nie angegriffen, aber Putin spricht von der Möglichkeit eines "Genozids an russischsprachigen Menschen" in der Ukraine. Was für ein Blödsinn: Alle Ukrainer können Russisch und fühlte sich vor Putins Annexion ihren ehemaligen Sowjetkolleg*en sehr nahe.



            Nein, ich fühle mich bedroht. Die Atombomben, die Russland in Kaliningrad stationiert hat, erreichen uns in zehn Minuten. Hingegen hat die Nato zugesagt, keine Atomraketen auf den Gebieten der neuen Mitglieder der Nato zu stationieren und hat dieses Versprechen eingehalten.



            Nein, Russland bedroht sämtliche direkten Nachbarn, versucht hybrid, sie alle zu spalten, von Lettland bis zur Republik Moldau, wo noch ein KGB-Régime direkt aus dem Museum in Transnistrien überlebt. Im übrigen: Die mentale Voraussetzung für Geheimdienstler (silowiki) wie Putin ist ja eine möglichst ausgeprägte Paranoia. Ich fühle mich nur deshalb bedroht, weil ein Régime, das in Syrien Krankenhäuser bombardiert, Giftgas anwendet und im Ausland Leute mit Novichok bedroht, eine reale Gefahr ist.



            Aber Deutschland hat aus der Geschichte gerade das nicht gelernt, was dieses Land demokratisiert hat: Es wurde von außen befreit, durch die Gewalt einer militärischen Allianz. Diese Allianz braucht die Ukraine jetzt wenigstens zu seiner Verteidigung. Das ist die nüchterne Lage jetzt, möglicherweise kurz vor einem erneuten Überfall auf die Ukraine. Und es kotzt mich an, wenn Scholz und andere zynisch von der "Unverletzlichkeit der Grenzen" der Ukraine sprechen: Dabei haben gerade die Sozialdemokraten n i c h t s getan, um der Okkupation des Donbass und der Krim etwas Reales (außer Mini-Sanktionen) entgegenzusetzen. Schröder hat Nord-Stream II begünstigt. Die Okkupation der Ukraine dauert an, ebenso das Trauma, das die russische Aggression bei allen Nachbarn ausgelöst hat.

            • @Ataraxia:

              stimme hundert Prozent zu. Ich fürchte nur man wird es im Westen erst lernen wenn man sich, ich fürchte schneller als die meisten denken, in der gleichen Position wie jetzt die Ukraine wiederfinden. Man war dann so lange nachsichtig, "verständnisvoll" gewesen (nicht das selbe wie "verstehen", verwechseln zu viele) und wird selbst verfrühstückt.