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Nocebo-Effekt nach dem ImpfenKochsalzlösung mit Nebenwirkung

Viele fühlen sich nach einer Impfung müde und erschöpft. Die Gründe dafür sind falsche Zuordnung der Symptome und Erwartungen an die Impfreaktion.

Geimpft und keine Reaktion? Voll normal Foto: Mohd Yazid Zainal/PantherMedia/imago

In Zeiten einer Pandemie, in der ein Tag dem anderen gleicht, scheint alles erwartbar, selbst die Impfreaktion: So fand eine Meta-Analyse heraus, dass wohl etwa zwei Drittel aller Covid-Impfreaktionen auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind.

Nocebo-Effekt, das ist der weniger bekannte Cousin des Placebo-Effekts. Während beim Placebo-Effekt Medikamente eingenommen werden, die keine Wirkstoffe enthalten, aber trotzdem zu wirken scheinen, beschreibt der Nocebo-Effekt Reaktionen und Nebenwirkungen auf wirkstofffreie Attrappen. Für die aktuelle Analyse haben acht Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zwölf Studien ausgewertet, in denen insgesamt 22.802 Personen eine Corona-Impfung bekamen und 22.578 Pro­ban­d:in­nen eine Kochsalzlösung. Demnach sind etwa 76 Prozent aller leichten Impfreaktionen nach der ersten Dosis und 52 Prozent nach der zweiten Dosis wohl diesem Effekt zuzuschreiben.

Die Motivation für diese Analyse sind die Ungeimpften: Durchschnittlich zwanzig Prozent weltweit wollen sich nicht impfen lassen. Die meisten Impf­geg­ne­r:in­nen geben laut einer Studie von 2021 an, dass sie die Impfung auslassen, weil sie Nebenwirkungen befürchten. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, den zugrundeliegenden Motiven für Impfzögerlichkeit entgegenzuwirken, um diese weltweite Krise zu überwinden“, schreiben die Au­to­r:in­nen der Analyse.

Die Hauptsymptome des Nocebo-Effekts bei Covid-Impfungen sind Müdigkeit und Erschöpfung, aber auch Gelenkschmerzen und generelles Unwohlsein. Die Gründe dafür sind falsche Zuordnung der Symptome, Angst und Erwartungen an die Impfreaktion.

Psyche und Körper spielen so weit zusammen, dass Impfreaktionen, die von einem Nocebo-Effekt ausgehen, zu Impfnebenwirkungen führen können. Doch was nun? In der Meta-Analyse betonen die Autor:innen, wie wichtig die Aufklärung des Nocebo-Effekts ist, da Erschöpfung und Müdigkeit vor allem im Zusammenhang mit Nocebo auftreten. Zwar ist die Evidenz zurzeit dünn und nach wie vor wird geforscht. Die Au­to­r:in­nen raten aber dazu, in Aufklärungskampagnen den möglichen Nocebo-Effekt zu erwähnen – genauso wie die Information, dass eine Reaktion auf die Impfung auch gänzlich ausbleiben kann.

„Nocebo“ lässt sich übrigens vom Lateinischen ins Deutsche übersetzen mit „Ich werde schaden“. Impf­geg­ne­r:in­nen sollten sich das zu Herzen nehmen und sich endlich impfen lassen.

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8 Kommentare

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  • Ziemlich unüberraschend. Warum sollte die illusorische Korrelation gerade bei der Wahrnehmung der Impfnebenwirkungen nicht stattfinden?



    Es sieht oft sogar eher wie der Normalfall aus, dass objektiv nicht belegte oder definierte Phänomene mit objektiv nicht belegten oder definierten Ursachen willkürlich oder/und unbewusst (pseudo-)kausal verknüpft werden: Armut entsteht durch Neoliberalismus, Unfreiheit durch Sozialismus, Schlechte Verdauung entsteht durch zu wenig Ballaststoffe, durch den Islam werden Frauen unterdrückt, die Grünen sind eine Umfallerpartei, weil sie kein Tempolimit durchgesetzt haben, Männer sind gewalttätiger als Frauen, Annalena Baerbock kann keine gute (Außen-)Politikerin sein, weil sie irgendwie irgendwas gemogelt hat, Sarah Wagenknecht spaltet die Linke durch ihr ominöses Buch ...



    Es hat den Anschein, dass wir (außerhalb der Wissenschaft) alle mehr oder weniger Opfer unseres Glaubens sind und die selektiven Anekdoten, die wir beobachten, für die Wahrheit halten. Jeder in seiner persönlichen oder Gruppen-Matrix.

    • @Jossito:

      ... auch innerhalb der Wissenschaft, Allerdings sorgt das System des absichtsvollen Infragestellens während des 'Peerreviews' für einen gewissen Ausgleich...

  • RS
    Ria Sauter

    Ich kann kaum glauben, was da gerade passiert.



    Es gibt diese Nebenwirkungen in echt und nicht vom Gehirn ausgelöst.



    Viele, die ich kenne, waren sehr erleichtert endlich den Impftermin zu bekommen. Keiner hatte Angst davor, im Gegenteil.



    Ich selbst auch eingeschlossen.



    Meine Lymphknoten sind immer noch stark geschwollen. Es schmerzt sehr und an manchen Tagen kann ich nicht mehr laufen.



    Alles abgeklärt. Werte sind prima. Man hat mich aber darauf hingewiesen, dass die Impfung in die Lymphe geht und es noch seine Zeit braucht.



    Meine Impfung war im Herbst 21.

    • @Ria Sauter:

      Sehnse, Sie haben ernstzunehmende und reale Nebenwirkungen, ich dagegen hatte bei den ersten beiden Impfungen null, nur nach dem Boostern war ich müde. Ich habe aber versucht, kritisch in mich hineinzuhorchen, ob noch andere Symptome aufträten, und davon kriegte ich nach kurzer Zeit Kopfschmerzen. Also hab ich gesagt: Schluss, befass dich mit deiner Arbeit! Und weg waren die eingebileten Kopfschmerzen. So geht Nocebo.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      "Keiner hatte Angst davor, im Gegenteil."

      Das glaube ich nicht. Sich Gedanken über Nebenwirkungen zu machen ist normal.



      Ansonsten wäre man ein Fall für das Märchen" Von einem der auszog das Fürchten zu lernen"

    • @Ria Sauter:

      Es streitet keiner ab, dass es Nebenwirkungen gibt. Auch im Artikel steht was anderes (⅔ Der Nebenwirkungen sind durch Nocebo-Effekt).

      Es kann auch zu unbequemen Nebenwirkungen kommen, schließt auch keiner aus. Sowas ist aber *nicht* der Regelfall. Impfen hat ein Risiko, Corona aber ein größeres Risiko.

    • @Ria Sauter:

      Natürlich gibt es echte Nebenwirkungen der Impfung in der von Ihnen beschriebenen Form. Sagt die Studie ja auch. Aber bis zu 75% der LEICHTEN Nebenwirkungen sind Einbildung.

      Man bedenke! Mit Kochsalz "geimpfte" Patienten klagen nahezu genauso oft über Nebenwirkungen wie tatsächlich geimpfte.

      Dies ist nicht die erste Studie die ein derart starken Nocebo Effekt zeigt. Leider sind diese Studien teuer und haben keinen unmittelbaren nutzen. Daher selten.

      Unter der Hand geht man unter Medizineren aber davon aus das weit über 50% der Nebenwirkungen der weitaus meisten Medikamente Einbildung sind.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Michael Renper:

        Allerdings auch 50% der Wirkungen Placebos...