Hansjürgen Mai über Bidens Telefonat mit Selenski
: Diplomatie per Telefon

US-Präsident Joe Biden versucht aktuell mithilfe des guten alten Telefons, einen möglichen Angriff auf die Ukraine durch russische Streitkräfte zu verhindern. Die Gespräche zwischen Kiew, Moskau und Washington sorgen international für Schlagzeilen, auch wenn sie für die amerikanische Bevölkerung nichts weiter als eine kleine Randnotiz sind.

Die außenpolitischen Bemühungen des Weißen Hauses verblassen aktuell vor dem Hintergrund der explodierenden Corona-Fallzahlen im Land und dem bevorstehenden Jahrestag des Sturms auf das US-Kapitol. Trotzdem geht es bei den Verhandlungen über die Ukraine-Krise um einiges für die USA. Denn nach vier schwierigen Jahren unter Ex-Präsident Donald Trump und dem Debakel beim Truppenabzug aus Afghanistan ist das Vertrauen in Washington angeschlagen.

Wie kann es Biden also schaffen, außenpolitische Stärke zu zeigen und gleichzeitig die USA nicht in einen neuen Konflikt zu verwickeln? Im Moment setzt Washington auf Telefondiplomatie. Der US-Präsident sprach noch vor dem Jahreswechsel mit Putin. Während des Gesprächs sollen beide Männer ihre Positionen nochmals untermauert haben. Russland will Sicherheitsgarantien vom Westen, unter anderem, dass es zu keiner Nato-Osterweiterung kommen werde.

Die USA drohen im Gegenzug mit drastischen wirtschaftlichen Sanktionen, sollte Moskau es wagen, die Ukrai­ne anzugreifen. Im Telefonat mit dem ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenski sicherte Biden ihm die volle Unterstützung zu. Auch mit Nato-Verbündeten und europäischen Partnern stehen die USA in ständigem Kontakt.

Um Szenen wie beim chaotischen US-Truppenabzug aus Afghanistan zu vermeiden, wollen die USA in der aktuellen Krise keine Entscheidungen ohne die Mitsprache von Verbündeten treffen. Diese fühlten sich beim Thema Afghanistan vor den Kopf gestoßen. Innerhalb der nächsten 14 Tage wird es deshalb zu mehreren diplomatischen Gesprächen kommen. Nicht bei allen werden jedoch Europäer am Tisch sitzen. Aufgrund der anhaltenden Reisebeschränkungen durch Corona wird auch in Zukunft das Telefon bei internationalen Angelegenheiten eine ­tragende Rolle spielen.

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