Coronaleugner in Kreuzberg: Mobilisierung durch Provokation
Coronaverschwörer buhlen um Aufmerksamkeit und wollen am Samstag durch Kreuzberg ziehen. Gegenproteste formieren sich.
Der Verein um den Verschwörungsideologen Anselm Lenz baut dabei auf die Unterstützung der Szene: Aufgerufen haben die Berliner Querdenken-Gruppe und der Ortsverband der Partei Die Basis ebenso wie die aktionistische „Freedom Parade“ um ihren Anheizer Captain Future und der Zusammenschluss „Freie Linke“. Auch ein Autokorso soll sich am Samstag von Friedrichsfelde aus nach Kreuzberg bewegen. Doch die organisatorische Vielfalt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mobilisierungsfähigkeit der Szene in Berlin zuletzt nahezu zum Erliegen gekommen ist. Kaum eine der weiterhin zahlreichen Veranstaltungen verbuchte mehr als wenige Dutzend Teilnehmer:innen.
An der Ankündigung einer „Großdemo“ darf also getrost gezweifelt werden. Die Bewerbung in den einschlägigen Kanälen entfaltet bislang überschaubare Dynamik. Auch dürften gleichzeitig stattfindende, ähnlich gelagerte Versammlungen in Hamburg, Frankfurt/Main und Wien überregionale Anreisen verhindern. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass für den Aufzug, der zwischen 13 und 19 Uhr geplant ist, 1.000 Teilnehmer:innen angemeldet sind. Zu einem möglichen Verbot der Versammlung äußerte sich die Polizei nicht, „da Veranstalter und Versammlungsbehörde noch in Absprache sind“.
Auch linke Kenner der Szene rechnen in einem Beitrag auf dem Portal Kontrapolis mit „700–1.000 Teilnehmenden“. Das Portal „Berlin gegen Nazis“ wiederum bezeichnet die Route durch Kreuzberg als „Einladung an Rechtsextreme“. Verwiesen wird auf rechte Gruppen wie Bärgida, die vor einigen Jahren ebenfalls Kreuzberg zum „Aufmarschziel“ erklärten, da sie „sich dadurch höhere Teilnehmendenzahlen“ versprachen.
Gegenprotest angekündigt
Doch ohne Risiko ist die Strategie nicht: Schon beim letzten Aufmarschversuch der Verschwörer in Kreuzberg war der Gegenprotest deutlich stärker als in anderen Kiezen: Barrikaden wurden gebaut, schließlich musste die geplante Route verkürzt werden. Für diesen Samstag rufen Antifaschist:innen erneut dazu auf, den „verschwörungsideologischen Aufmarsch zu stoppen“. Drei Gegenkundgebungen sind bereits angemeldet, am Oranienplatz, Moritzplatz und an der Zossener Straße.
Gestärkt wurde am Mittwoch das Durchgriffsrecht der Polizei. Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin dürfen Personen ohne Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund ihrer Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Polizei von Versammlungen ausgeschlossen und mit einem Platzverweis belegt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“