piwik no script img

Russisches Sputnik-VakzinSerbien will Impfmarkt aufmischen

Belgrad ist stolz auf die erste Sputnik-V-Produktion außerhalb Russlands. Jetzt schielt der Balkanstaat auf mögliche Ziele für den Export.

Der vom serbischen virologischen Torlak-Institut produzierte Sputnik-V-Impfstoff Foto: Andrej Cukic/epa

Belgrad taz | Es war ein feierlicher Augenblick in Belgrad. Die Direktorin des Instituts für Onkologie und Radiologie, Danica Grujičić, bekam Ende Oktober vor laufenden Kameras die erste Dosis Sputnik-V-Impfstoff made in Serbia. Das russische Vakzin wird vom serbischen Torlak-Institut für Virologie, Impfstoffe und Seren in Zusammenarbeit mit dem russischen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie hergestellt. In Serbien ist man stolz, das erste Land zu sein, das neben Russland Sputnik V produziert. Das Torlak-Institut hat mit der Produktion am 4. Juni begonnen, mit Komponenten, die russische Partner lieferten.

Serbien hatte der EU böse Vorwürfe gemacht, die Impfstoffe nur für sich zu behalten

Schon Anfang Oktober wurden in Serbien eineinhalb Millionen russischer Impfdosen hergestellt. Der Plan war, bis zum Jahresende vier Millionen zu produzieren. Durch die eigene Produktion werde Serbien eine Menge Geld sparen, hieß es im Land. Und Politiker unterstrichen, wie wichtig es sicherheitsstrategisch für Serbien sei, in diesen pandemischen Zeiten nicht abhängig vom Impfstoffimport zu sein.

Zu Beginn der Massenimpfung in Europa hatte Serbien der EU böse Vorwürfe gemacht, völlig unsolidarisch die Vakzine allein für die Mitgliedsstaaten zu behalten – während Russland und China das Land mit Impfstoffen überschütteten.

Der für Innovation und technologische Entwicklung zuständige Minister Nenad Popović sprach schon davon, über den Export von Sputnik V aus Serbien zu verhandeln. „Wir müssen mit den russischen Partnern alles in Einklang bringen und von ihnen die Exportgenehmigung bekommen, damit es nicht vorkommt, dass beide auf den gleichen Markt exportieren“, erklärte Popović.

Sputnik V hat sich in Serbien, wie auch in Russland, als ein sehr wirkungsvoller Impfstoff herausgestellt. Laut offizieller Statistik erkranken damit geimpfte Menschen nur in Ausnahmefällen an Covid-19. Nach Angaben seiner Entwickler ist er länger wirksam als andere Vakzine. Sputnik V sei sechs bis acht Monate nach Verabreichung der zweiten Dosis zu 80 Prozent gegen das Coronavirus wirksam, hatten die Forscher im November erklärt.

Ärgerlich für die mit Sputnik-V-Geimpften ist allerdings, dass den Impfstoff die meisten EU-Staaten nicht anerkennen. Weder die EU-Arzneimittelaufsicht EMA noch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben das Präparat zugelassen. Selbst dreifach mit dem russischen Vakzin Geimpfte werden somit etwa bei einer Einreise nach Deutschland wie Ungeimpfte behandelt.

Wie in Russland ist man in Serbien überzeugt, dass das eine rein politische Entscheidung ist. Allerdings hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag eingeräumt, für eine Anerkennung der WHO bisher nicht alle erforderlichen Unterlagen übergeben zu haben.

„Es gibt tatsächlich irgendwelche Informationen, die man für eine Zertifizierung zur Verfügung stellen muss“, sagte Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. „Wir haben das bisher nicht gemacht, weil wir eine andere Auffassung hatten, welche Informationen das sind und wie sie überreicht werden sollen.“

Bisher sind nur 55 Prozent der Bevölkerung voll geimpft

Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien und das Kosovo, dessen Unabhängigkeit Serbien nicht anerkennt, akzeptieren den Impfstoff hingegen. In diesen Staaten erkennt Serbien einen möglichen Absatzmarkt für das serbische Sputnik V.

Obwohl zu Jahresbeginn Serbien ein Spitzenreiter in der Massenimpfung war, sind bisher nur rund 55 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Als es in Deutschland noch einen gravierenden Mangel an Impfstoff gab, hatte Serbien Vakzine in Hülle und Fülle.

Wer in den Westen verreisen wolle, ärgere sich nun aber sehr, wenn die Wahl auf Sputnik oder das chinesische Sinopharm fiele. (mit dpa, afp)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die bayerische Staatsregierung hat ja auch schon vor Monaten einen Vorvertrag zur Lieferung abgeschlossen. Produziert werden soll dabei in (Überraschung!) Bayern.

    Laut Wikipedia gibt es derzeit 26 verschiedene Impfstoffe, die mindestens eine nationale Zulassung haben.

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum sich so Impfstoffhersteller und auch die EU so wenig um Zulassung bemühen. Mag ja sein dass die Hürden hoch sind, aber wenn die Corona-Auffrischimpfung zur Regelmäßigkeit wird sollte da doch ordentlich Geld zu verdienen sein. Ebenso könnten die Einkaufspreise sinken, und die Wahrscheinlichkeit, dass einer davon beim Auftreten einer neuen Variante eine besseren Wirksamkeit hat würde sich auch erhöhen.