Fußball und soziales Engagement: Übers Stadion hinaus
In diesem Jahr werden der Berliner Verein „Gesellschaftsspiele“ und das Eintracht-Frankfurt-Museum mit dem Julius-Hirsch-Preis geehrt.
„Wir spielen gar nicht Fußball“, sagt Peter Dittmann von Gesellschaftsspiele e. V. Wegen fußballerischen Könnens wurde der diesjährige Julius-Hirsch-Preis des DFB auch nicht an den Berliner Verein verliehen. Ähnliches gilt für das Eintracht-Frankfurt-Museum, das ebenfalls am heutigen Montag geehrt wird. Gesellschaftsspiele e. V. gibt es seit 2015, das Eintracht-Museum öffnete 2007.
Gesellschaftspiele ist vielmehr ein Zusammenschluss von Fans verschiedener Vereine, die sich „für Fußball interessieren, und auch für das, was sonst in der Gesellschaft passiert“, wie Dittmann, stellvertretrender Vorsitzender des Vereins, sagt. In ihrer Begründung erwähnt die Jury die „Mosse-Tage“, an denen Gesellschaftsspiele im Jahr 2020 beteiligt war. Auf dem Gelände, auf dem in Berlin der Jahn-Sportpark steht und wo auch Gesellschaftsspiele seinen Vereinssitz hat, verlief die Mosse-Straße.
„Mit Fußball hatte Mosse zunächst nichts zu tun“, sagt Dittmann, „aber dennoch kommen durch die Geschichte des Fußballorts Jahn-Sportparks hier jüdische Geschichte und Fußballgeschichte zusammen.“ So brachte sich das seinem Selbstverständnis nach auf Fußball bezogene Projekt 2017 in die Initiative „Mosse erinnern!“ ein – und der DFB honoriert dies nun mit dem Julius-Hirsch-Preis und 7.000 Euro. Dittmann verspricht, dass das Geld bald wieder in fußballbezogene Projekte fließen wird: „Wir sind ein basisdemokratischer Verein. Bald werden wir beschließen, wofür wir das Geld einsetzen.“
Zu den größeren Projekten des Vereins gehört derzeit „21 Fans“, ein Austausch- und Begegnungsprogramm für Fans aus der Türkei, Ukraine, Tschechien und Deutschland. Der achttägige Besuch von Fußballsupportern in Europa endete am gestrigen Sonntag.
Noch ambitionierter ist das Programm „Superstars“. Dort werden, wie es in der Ausschreibung heißt, „Fußballfans, Spieler*innen und Interessierte aus den Bereichen Fußball, Gender und Nachhaltigkeit“ eingeladen, um in fünf Projektphasen, unter anderem in Südafrika, eigene Bildungsprojekte zu konzipieren.
Aufarbeit der NS-Vergangenheit
All das hat auch den DFB aufmerken lassen, der mit dem Julius-Hirsch-Preis „die Gesamtheit der Projekte, Veranstaltungen und Initiativen des Vereins“ würdigen möchte. Sie zeichneten sich durch die Bank „durch Originalität, gesellschaftspolitische Bandbreite und methodische Vielfalt, vor allem aber durch ihren konsequenten Einsatz gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie“ aus, wie die Jury schreibt.
In der mittlerweile sehr vielfältig gewordenen Landschaft der deutschen Sportmuseen fällt das Eintracht-Frankfurt-Museum schon lange positiv auf. Gerade die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Vereins vor 1945. Museumsleiter Matthias Thoma hatte schon 2007, als das Museums öffnete, mit dem Buch „Wir waren die Juddebube“ ein wichtiges Buch zur Rolle der Eintracht in der NS-Zeit vorgelegt. Auch das würdigt der DFB nun explizit. „Seit der Eröffnung im Jahr 2007 zählt die kritische Auseinandersetzung mit dem Vereinsleben im Nationalsozialismus zu den zentralen Aufgaben“, lobt die Jury.
Neben dem Eintracht-Museum und Gesellschaftsspiele wird auch der FC Victoria Wittenberg gewürdigt, wie auch unter anderem der US-Wissenschaftler Kevin Simpson, der zu Fußball im KZ geforscht hat. Im vergangenen Jahr 2020, das von der Coronapandemie gezeichnet war, konnte der Preis nicht öffentlich vergeben werden. Die Ehrung wird am heutigen Montag nachgeholt. Der Verein Hawar.help, der Köln das Projekt „Scoring Girls“ für Mädchen mit und ohne Fluchterfahrung betreibt, wird geehrt.
Ebenso geht eine Auszeichnung an die Akademie des Bundesligisten TSG Hoffenheim, die mit einem Film an die Holocaust-Überlebenden Heinz (Menachem) und Manfred (Fred) Mayer aus Hoffenheim erinnerte. Und geehrt wird der Verein „Spirit of Football“ aus Erfurt wird gemeinsam mit seinem Kooperationspartner, dem Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz, geehrt. Das Museum erinnert an den Ort, in dem der Namensgeber Julius Hirsch, siebenfacher deutscher Nationalspieler, ermordet wurde – Auschwitz.
Seit 2005, also seit Beginn der Ära seines früheren Präsidenten Theo Zwanziger, verleiht der DFB den Preis. Es ist der bis heute bedeutendste Beitrag des größten Sportverbandes der Welt, sich gegen Antisemitismus und jede andere Form von Diskriminierung zu positionieren und sich damit zugleich seiner eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit zu stellen.
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