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Haushaltsrede in GroßbritannienSunak dreht den Geldhahn auf

Der Finanzminister der konservativen Regierung kündigt massive Ausgabensteigerungen und mehr Staatsinvestitionen an.

Rishi Sunak bei seiner Haushaltsrede im britischen Unterhaus Foto: House Of Commons dpa PA Wire

London ta |z Wieder gibt es einen neuen Staatshaushalt für das Vereinigte Königreich, wieder gibt sich Finanzminister Rishi Sunak in seinem besten optimistischen Glanz, mit der Schlagzeilenprognose von 6,5 Prozent Wirtschaftswachstum dieses Jahr, drei Prozent mehr als das britische Budgetamt OBR zunächst vorhersah.

Sunaks Enthusiasmus in seiner 70-minütigen Rede vor dem Unterhaus war unverkennbar. Der Finanzminister sprach schnell, und seine Zahlen prasselten unaufhaltsam auf die ihm gegenübersitzende Opposition nieder, die sich allerdings hin und wieder laut bemerkbar machte.

Die Zahlen sind besser als erwartet. Sunak kann es sich leisten, 150 Milliarden Pfund (177 Milliarden Euro) Ausgabensteigerungen bis Ende dieser Legislaturperiode zu versprechen, inflationsbereinigt sind das 90 Milliarden zusätzlich. Schon im kommenden Jahr steigen die Staatsausgaben um 25 Milliarden Pfund mehr als noch im März geplant.

„Jetzt wo wir aus dem schlimmsten wirtschaftlichen Schock herauskommen, den wir je sahen, haben wir die Wahl, uns zu verschanzen oder zu investieren. Diese Regierung wählt Investitionen,“ sagte Sunak. Hauptansage: noch mal über umgerechnet sieben Milliarden Euro extra an das Gesundheitssystem – und: im Jahr 2023 soll die Entwicklungshilfe wieder auf 0,7 Prozent des BIP steigen. Erst vor wenigen Monaten hatte die konservative Regierung dieses Ziel gegen heftigen Widerstand aus der eigenen Partei ausgesetzt.

14 Milliarden Euro für den Wohnungsbau

Darüber hinaus zauberte Sunak umgerechnet über 5,5 Mrd. Euro zusätzlich für Schulen, 3,55 Mrd. Euro für Ausbildungsprogramme und fast sechs Mrd Euro für medizinische Forschung aus seinem Hut. Es wird insgesamt mehr in Forschung und Ausbildung gesteckt, um eine Wirtschaft der hohen Löhne und Kompetenzen aufzubauen, wie der Finanzminister sagte, kombiniert mit mehr Visa für globale Talente.

Dazu kommen Infrastrukturverbesserungen in benachteiligten Regionen, mehr Geld für die Justiz zur Aufarbeitung der beträchtlichen Rückstände in Gerichtsverfahren, Fonds für Ausbildungsprogramme, Familien und Kinderzentren, umgerechnet 14 Mrd. Euro für Wohnungsbau und Verbrechensbekämpfung, und Steuererleichterungen für Logistikunternehmen.

Den britischen Mindestlohn erhöht Sunak um 6,6 Prozent von 8,91 auf 9,50 Pfund, umgerechnet 11,26 Euro. Auch die wegen der Pandemie eingefroren öffentlichen Gehälter dürfen wieder steigen, sagte Sunak – was kritische Stimmen auf die Inflation schoben.

Bei anderen Ankündigungen ist nicht alles „neues Geld.“ So sind nur 1,8 Mrd Euro von den angekündigten umgerechnet 8 Mrd Euro für Verkehrsinfrastruktur außerhalb London neu. Eines der möglichen Projekte könnte eine Schnellbahnverbindung zwischen den nordenglischen Städten Leeds und Manchester sein. Manchesters Labour-Bürgermeister Andy Burnham gab sich mit über 1 Milliarde Pfund allein für sein städtisches Verkehrswesen zufrieden.

Die Benzinsteuer bleibt eingefroren, die Alkoholsteuern werden vollkommen reformiert. Sie werden nun nach der Stärke eines Getränks ausgerichtet.

Die Haushaltsrede erfolgte wenige Tage vor der Eröffnung der Weltklimakonferenz in Glasgow. Hinsichtlich der Klimapolitik kündigte Sunak ein umgerechnet 14,2 Mrd Euro teures Finanzpaket an, das unter anderem in Windenergie, Wasserstoffgewinnung, Atomkraftwerke, emissionsfreie Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe sowie grünen Wohnungsbau gehen soll. Insgesamt würde das Vereinigte Königreich nun bereits umgerechnet 35,5 Mrd Euro für die klimatischen Herausforderungen ausgeben.

Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht groß genug ausgelegt, sagten Kritiker dazu. Dass Sunak zugleich die Flugsteuer für Inlandflüge senkte, mag manche wundern.

Doch all diese Ankündigungen kommen nicht ohne neue Einnahmen aus. Bereits im September kündigte Sunak eine Erhöhung der Sozialversicherungsabgaben um 1,25 Prozent an, um das Gesundheitssystem und die staatliche Sozialpflege mit über 42 Mrd Pfund innerhalb der nächsten drei Jahre zu stärken. Es gibt nun aber Steuersenkungen für Personen, die arbeiten und zusätzlich Sozialhilfe beziehen.

Rachel Reeves von der Labour-Opposition begrüßte einige Maßnahmen, doch meinte, dass es generell zu wenig sei, und dass viele glauben würden, die Regierung lebe in einer Parallelwelt. Sie hätte einen höheren Mindestlohn gewollt und Hilfe mit gestiegenen Energiekosten.

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1 Kommentar

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Hört sich ganz vernünftig an!