Nichts Genaues sagt man nicht

Die jüngste Runde der Koalitionsverhandlungen am Exflughafen Tegel zeigt: Nicht alles wird bezahlbar sein

Von Stefan Alberti

Es braucht viel Vorstellungskraft, um an diesem späten Mittwochabend Franziska Giffey gedanklich folgen zu können. Ein Ort, „an dem bezahlbares Wohnen, Klimaschutz und Wirtschaftsentwicklung zusammengedacht werden können“, sieht die designierte künftige Regierungschefin dort, wo gerade die jüngste Runde der Koalitionsgespräche zu Ende gegangenen ist: am Exflughafen Tegel. Wer es weniger beseelt betrachtet, kann draußen nächtliche Ödnis und drinnen verwaiste Hallen wahrnehmen, wenig klimaschützerisch für ein Pressestatement von Hunderten Deckenleuchten erhellt.

Statt nur in Parteizentralen zu tagen oder in nahen Hotels, suchen die Koalitionsverhandler in diesen Tagen und Wochen nach Orten, die etwas symbolisieren sollen – meist Aufbruch und Innovation. In Tegel etwa sollen einmal 20.000 Arbeitsplätze und Wohnungen für 10.000 Menschen entstehen, die ersten davon sollen 2027 hier wohnen. Und nachhaltig soll das Ganze auch noch sein.

Zukünftig ist auch, was Giffey, Grünen-Verhandlungsführerin Betttina Jarasch und Linkspartei-Landeschefin Katina Schubert gut einem Dutzend Journalisten dort erklärten, wo vor gut einem Jahr noch Fluggäste eincheckten. Von einem klaren Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Berlin ist dabei zu hören. Giffey gibt sogar als Ziel aus, die Stadt „zum bedeutendsten Wirtschafts- und Technologiestandort Europas zu machen“.

Viel konkreter wird es aber nicht, und was zu hören ist, galt zuvor nicht unbedingt als strittig: dass der Landesmindestlohn auf 13 Euro steigt und dass es ein „Neustart“-Programm für von der Coronakrise Betroffene geben soll. Knapp 100 Maßnahmen habe man beraten, berichtet Giffey – und lässt offen, was in den nächsten fünf Jahren Wirklichkeit wird. Wobei die zentrale Frage ist: Was ist bezahlbar? Von einem bloßen Zwischenstand spricht sie, entschieden werden soll erst am Schluss der Verhandlungen.

Gesetzt ist offenbar auch nicht der vom Senat im Juni 2018 beschlossene Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) – 2014 mal am Tempelhofer Feld geplant – neben der Amerika-Gedenk-Bibliothek am Blücherplatz. Giffey erwähnt bei der Frage nach Großprojekten, die noch zu klären sind, „die Zukunft der ZLB“.

Mit 360 Millionen Euro hatte Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) 2018 die Kosten für den Neubau veranschlagt und darin „eine der drängendsten Investitionen in unserer Stadt“ gesehen. Die Grüne Jarasch sagt der taz in Tegel am Rande zu den Großprojekten: „Wir werden nicht alles gleichzeitig schaffen.“