piwik no script img

Sichere Jobs, aber viele Sorgen um das Geld

WSI-Verteilungsbericht analysiert Entwicklungen und Befindlichkeiten innerhalb der Mittelschichtmilieus

Wer zwischen 1.500 und 3.500 Euro netto verdient gilt als Mittelschicht

Von Barbara Dribbusch

Die Demografie und die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich in der Befindlichkeit der Mittelschichtmilieus: Die Menschen haben weniger Angst um ihre Jobs als noch zehn Jahre zuvor. Aber sie sorgen sich um ihre finanzielle Sicherheit und um die Altersvorsorge. Diese Daten ergeben sich aus dem neuen Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

„In den 2000er Jahren waren Abstieg und Schrumpfung der Mittelschicht ein häufiges Thema. In den späteren 2010er Jahren hat sich die Situation entspannt“, sagte Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, am Mittwoch. Inflationsbereinigt stiegen die Einkommen der Mittelschicht zwischen 2010 und 2018 um 7 Prozent, die des ärmsten Zehntels hingegen blieben gleich.

Die For­sche­r:in­nen werteten Daten aus den Befragungen des Sozioökonomischen Panels (SOEP) zwischen 2010 und 2018 aus sowie aus der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung von 2020 und 2021. Zur Mittelschicht zählen dabei Haushalte, die ein Nettoäquivalenzeinkommen (also ein auf einen Einzelhaushalt umgerechnetes Einkommen) zwischen 1.500 und 3.500 Euro haben. Dieses Einkommen liegt zwischen 70 Prozent und 150 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland.

Positive Entwicklungen ergeben sich vor allem bei den Teilen der Mittelschicht, die in tariflich zahlenden Betrieben sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Die Situation in der unteren Mittelschicht ist hingegen prekärer. Mehr als die Hälfte der Befragten mit Einkommen zwischen 1.500 und 2.000 Euro klagten über Einkommenseinbußen während der Covid-19-Krise. Bei den Menschen mit einem Netto-Einkommen von unter 1.500 Euro erlitten sogar fast zwei Drittel durch Corona Einkommenseinbußen. Aber auch von denjenigen, die ein höheres Einkommen von über 3.500 Euro hatten und damit nicht mehr zur Mittelschicht zählen, berichtete fast die Hälfte von Einkommenseinbußen durch Corona. Diesen Befund erklärten die For­sche­r:in­nen mit dem höheren Selbstständigenanteil in dieser Gruppe.

Die Ungleichheit, die mit dem sogenannten Gini-Koeffizient gemessen wurde, erreichte bei den Einkommen Höchststände in den Jahren 2013 und 2016. In den Folgejahren ging sie leicht zurück. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes äußerten im Jahre 2019 rund 30 Prozent der Befragten aus der Mittelschicht, was ein Rückgang war. Die Sorge um die finanzielle Zukunft bekümmerte 56 Prozent, die Angst um die Altersvorsorge 63 Prozent. Trotz „subjektiv empfundener Arbeitsplatzsicherheit mache sich auch die Mittelschicht viele Sorgen um ihre finanzielle Situation“, erklärte die WSI-Forscher:in Aline Zucco.

meinung + diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen