HSV in der zweiten Fußball-Bundesliga: Angekommen im Mittelmaß
Trotz Überzahl konnte der Hamburger Sportverein am Wochenende wieder nicht gewinnen. Fans blicken inzwischen skeptisch auf das Management.
Diesmal, beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf, stand seine Mannschaft über eine Stunde mit einem Spieler mehr auf dem Platz. Nach einem Foul von Edgar Prib an HSV-Verteidiger Tim Leibold in der 25. Spielminute zeigte Schiedsrichter Christian Dingert mithilfe des Video-Assistenten dem Düsseldorfer die Rote Karte. Der HSV führte zu diesem Zeitpunkt bereits mit 1:0, Stürmer Robert Glatzel hatte die Hamburger nach Vorlage durch Sonny Kittel in Führung gebracht. Walters Mannschaft hätte dieses Spiel nur konsequent zu Ende spielen und den zweiten Heimsieg der Saison einfahren müssen.
Gerade jetzt, da das Volksparkstadion unter Anwendung der 2G-Regel wieder voll ausgelastet werden darf, Abstands- und Maskenpflicht entfallen und wieder Bier ausgeschenkt wird, wäre ein positives Zeichen an die Zuschauer wichtig gewesen für den HSV.
Denn nicht nur die Hamburger, sondern die Profiligen insgesamt sehen sich seit der Pandemie mit einem Problem konfrontiert, das ihnen gefährlich werden kann: Vielen Menschen ist Fußball nicht mehr so wichtig. Das hat viele Gründe: ein verändertes Freizeitverhalten, Entwöhnung, korrupte Funktionäre, neue Wettbewerbe oder mehrere Pay-TV-Abos, um alle Spiele sehen zu können. Aber auch schlechter und wenig erfolgreicher Fußball trägt dazu bei, dass nicht jeder potenzielle Stadionbesucher nach Lockerung der Regeln umgehend wieder zurück ins Stadion findet.
Radikale Verjüngung im Team
„Wir wollen, dass HSV-Heimspiele wieder zu Events werden, die Fans Freude haben“, hatte Trainer Walter vor dem Spiel gegen die Fortuna gesagt. Wahrscheinlich müssen sie sich eher auf ein paar weitere Enttäuschungen einstellen.
Für die 38.954 Fans, die letztlich gekommen waren, die meisten zum ersten Mal in dieser Saison, gab es im Volkspark viel Neues zu sehen. Im vierten Zweitligajahr setzt der HSV auf eine inzwischen zum vierten Mal veränderte Strategie, diesmal mit jungen Spielern: Anssi Suhonen, Jonas David, Ludovit Reis, Robin Meißner – keiner älter als 22 – prägten das Gesicht der Startaufstellung. Die radikale Verjüngung, ein richtiger, aber aus der Not geborener Schritt, schafft im Kader überlebenswichtige Marktwerte, bringt kurzfristig aber auch Nachteile. Von Talenten kann man im ersten oder zweiten Profijahr nicht erwarten, dass sie den Klub in die Bundesliga führen.
Dabei gibt der HSV nach Werder Bremen und Schalke 04 noch immer sehr viel Geld für Personal aus, weitaus mehr als andere Klubs. Allein daran gemessen, müssten die Rothosen am Ende der der Saison um die oberen drei Plätze mitspielen.
Nach einem Drittel der Saison und dem 1:1 gegen Düsseldorf, ein Spiel, über das der HSV sogar froh sein muss, es nicht auch noch verloren zu haben, zeichnet sich ein anderes Bild ab. Walters Mannschaft ist nicht gut genug, hinten zu anfällig und vorn zu ungefährlich, um im Aufstiegskampf mitzumischen. Aber sie ist auch nicht wirklich schlecht, jedenfalls noch nicht, um in der Tabelle ganz nach unten gereicht zu werden. Der einst große HSV ist im grauen Mittelmaß der Zweiten Liga angekommen.
Trainer übt Kritik
Und der Trainer stört sich bereits jetzt an der Einstellung seiner Mannschaft: „Wenn du auf Ballbesitz spielst, musst du den Ballverlust besser absichern. Da muss man mehr Verantwortung fürs Team übernehmen und darf den Ball nicht verdribbeln. Das erwarte ich von meinen Jungs. Einige scheinen dazu noch nicht bereit zu sein und eher ihr Ding zu sehen.“
In den nächsten Wochen kommt es darauf an, ob der HSV an seinem Weg festhält: Glauben Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel an das Konzept des Trainers? Geben sie der Mannschaft die nötige Zeit? Und können sie das überhaupt, ohne ihre eigenen Jobs zu gefährden? Viele Fans sehen das Management inzwischen skeptisch. Boldt, der zwei verpasste Aufstiege zu verantworten hat, setzt mit Walter auf den dritten Trainer seit 2019 und darf sich weitere Kurswechsel eigentlich nicht mehr erlauben. Zeitgleich ist der Stadtrivale FC St. Pauli Tabellenführer und gerade dabei, die Rothosen als Nummer eins der Stadt abzulösen. Schwere Zeiten für HSV-Fans.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!