Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wie die Pandemie das Aussteigen erschwert

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Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die Gründe für Rechtsextreme und Rechtsmotivierte, auszusteigen, können vielfältig sein: Die rechte Szene gibt keine Antworten mehr auf das eigene Leben, die Rollenerwartung, Kinder fürs Vaterland zu bekommen, engt ein, oder die Gewalterfahrungen verunsichern. Kritisches Nachfragen auf der Arbeit oder eine neue Liebe können ebenso zum Nachdenken über sich selbst führen.

Um Menschen zu unterstützen, den Ausstieg aus der rechten Szene zu schaffen, gibt es vielfältige Programme und Beratungsstellen. Auch ihre Arbeit hat unter der andauernden Pandemie gelitten. Das wurde bei einem Fachaustausch zwischen Mit­ar­bei­te­r:in­nen von 15 Ausstiegsprogrammen aus elf Bundesländern deutlich. Der Landespräventionsrat im niedersächsischen Justizministerium hatte am 6. und 7. Oktober den Erfahrungsaustausch in Verden ausgerichtet. Es gäbe zwar bereits vielfältige Online-Angebote, doch der Tenor auf der Veranstaltung war eindeutig: ohne persönliche Treffen mit den Ausstiegsinteressierten sei die Unterstützung schwierig.

Der Nordverbund Ausstieg Rechts habe im Zuge der Pandemie längst eine anonyme Online-­Beratung eingeführt. Insgesamt fünf Beratungsstellen in Hamburg, Schleswig-­Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen bieten die Online-Hilfe zur Distanzierung und zum Ausstieg an. Die Beratung ist anonym über einen speziell gesicherten Server zu erreichen. Es kann ein Chat-Termin gebucht werden oder zunächst ein E-Mail-­Austausch stattfinden. Binnen drei Werktagen melden sich die jeweiligen Beratungsteams.

So wichtig Online-Angebote während der Pandemie bisher waren, der persönliche Kontakt sei in der Ausstiegsarbeit unverzichtbar: „Diese Begegnungen sind schon entscheidend“, sagt eine Mitarbeiterin von Zivar – Zivilgesellschaftliche Ausstiegsberatung Rechts. Für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie sei Beziehungsarbeit notwendig. Durch die Corona-Maßnahmen waren Begegnungen allerdings kaum umsetzbar. Die Einschränkungen hätten es auch erschwert, Krisen zu lösen und Ausstiegsprozesse zu stabilisieren. Das Risiko des Rückfalls in alte Verhaltensmuster und damit der Rückkehr in die rechtsextreme Szene sei in Krisenzeiten groß, erklärt die Zivar-Mitarbeiterin.

Die Präsenz von Verschwörungserzählungen rund um die Corona-Maßnahmen habe ein eigenes Umdenken während der Pandemie zusätzlich erschwert. Darauf weisen die Ver­fas­­se­r:in­nen der Pressemitteilung zur Fachtagung hin. Ganz bewusst griffen Rechtsextreme diese Narrative auf und lüden sie mit ihren Themen auf. Dies könne Distanzierungsbemühungen unterlaufen, aber auch Radikalisierungsprozesse bestärken. In den vergangenen Monaten hätten sich an Beratungsstellungen gegen Rechtsextremismus daher auch verstärkt Betroffene gewandt, deren Familienmitglieder, Freund:innen, Vereinsmitglieder, Berufs- oder Studienkolleg:innen mehr und mehr zu Verschwörungen neigten. Unter den jeweiligen Hygienebestimmungen der Länder finden inzwischen auch wieder Präsenzangebote statt.