Wie die Krisen zusammenhängen: Klimakiller Artensterben

Der globale Verlust an Biodiversität und der Klimawandel sind nicht getrennt voneinander zu sehen. Im Gegenteil: Die Krisen verstärken sich gegenseitig.

Schmetterlingspräparate in einem Museum

Schmetterlingspräparate in der Ausstellung „Mensch und Natur“ Foto: imageBROKER/imago

Berlin taz | Die Klimakrise ist nicht allein. „Wir sprechen von einer Triplekrise – Klimawandel, Artensterben und die Pandemien, das ist alles eins“, sagt Christian Wirth, Professor für Botanik und Biodiversität an der Uni Leipzig. Zudem verstärkten sich die Krisen gegenseitig. Ein klassisches Beispiel dafür sei das Eschentriebsterben. „Seit den 2000er Jahren wandert aus Südosteuropa ein Pilz nach Norden, der den Laubbaum befällt und junge Triebe abtötet“, sagt Wirth. „Die Trockenheit von 2018 und 2019 hat den geschädigten Eschen den Rest gegeben, der Borkenkäfer hatte leichtes Spiel.“

Der Leipziger Auwald etwa besteht zu 40 Prozent aus Eschen, die nun Trockenheit, Pilz und Käfern zum Opfer gefallen sind. „Die auf Eschen spezialisierten Pilz- und Insektenarten sind dann auch weg“, sagt Wirth. Nun bleibe nur, in Schadgebieten resistente Eschen zu finden und diese Individuen zu vermehren. Auf diese oder ähnliche Weise verlieren wir etwa alle fünf bis zehn Jahre ein Baumart – und so viele haben wir in Deutschland nicht.

Laut dem Weltbiodiversitätsrat ­IPBES, quasi der IPCC für die Artenvielfalt, trägt der Klimawandel zu etwa 15 Prozent zum Verlust der biologischen Vielfalt bei und steht damit an dritter Stelle. Oben rangiert die Landnutzung, die Rodung von Urwäldern am Äquator, bei uns vor allem der Umbruch von natürlichen zu eingesäten Wiesen und Ackerland. An zweiter Stelle stehen Fischerei und Wilderei. „Mit zunehmender Temperatur werden die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Artenvielfalt zunehmen“, sagt Wirth.

Temporär kann es mehr Vielfalt geben

„Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur in Deutschland um fast zwei Grad gestiegen, das kann nicht ohne Einflüsse auf die biologische Vielfalt bleiben“, so der Biologe. 2050 könne in London in etwa das heutige Klima von Barcelona herrschen. „Die Schnittmenge von Arten zwischen den beiden Regionen ist derzeit vergleichsweise gering“, sagt Wirth, „es wird also zu massiven Verschiebungen und Verlusten kommen.“

In einer Übergangszeit, wenn einige Arten schon angekommen, andere aber noch nicht weg seien, könnte sich die Diversität temporär erhöhen. Häufig würden fremde Arten aber schnell dominant und unterdrückten dann Vielfalt, sagt Wirth. In ihrer neuen Umgebung fehlten etwa Fressfeinde und Krankheitserreger. Das führe zu einer Homogenisierung. Die Ökosysteme würden sich weltweit ähnlicher.

Doch gerade in Zeiten der Klima­krise ist Artenvielfalt wichtig. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält ihre Jahrestagung an diesem Wochenende unter dem Thema „Biodiversität und die Zukunft der Vielfalt“ ab, Wirth ist einer ihrer Sprecher. „Artenreiche Ökosysteme können mit Veränderungen und Störungen besser umgehen“, sagt er.

So stärke die Vielfalt des Amazonasgebietes den Regenwald und verhindere bislang, dass er sich in ein Savannenland mit hohem Grasanteil umwandele. Die Vielfalt der Bäume und ihrer Eigenschaften stabilisierten den Wald, eine Monokultur breche schneller zusammen.

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