Australischer Thriller „The Dry“ auf DVD: Der Held hat die Ruhe weg
Der australische Thriller „The Dry“ von Robert Connolly zeigt Eric Bana als Ermittler auf eigene Faust. Alles in diesem Film ist schwelend.
Der australische Schauspieler Eric Bana hat als scharfzüngiger Comedian begonnen, wurde international als narzisstischer Killer in Andrew Dominiks ultrabrutalem Film „Chopper“ berühmt und war dann, bevor es das Marvel Cinematic Universe gab, unter der Regie von Ang Lee in Hollywood Hulk, der Superheld, der stark und zerstörerisch wird und grün noch dazu, wenn man ihn reizt.
In „The Dry“ tut er nun jedoch: wenig bis nichts. Sein Spiel ist so zurückgenommen wie die Landschaft im australischen Outback abwechslungslos: verödete Flüsse, ausgetrocknete Seen, verhärmte Seelen, Mensch wie Natur drohen sich jederzeit zu entzünden, mit verheerenden Folgen.
Ein schrecklicher Mord ist geschehen. Ein Mann mittleren Alters hat seine Frau getötet, seinen noch nicht zehnjährigen Sohn getötet und dann sich selbst eine Kugel durch den Schädel gejagt. So jedenfalls wird das Verbrechen gedeutet in einem Städtchen, in dem jede jeden kennt und jeder mit jeder eine Vorgeschichte hat, wenn nicht zwei.
Auch Falk, den Eric Bana hier spielt, verbindet eine gemeinsame Vergangenheit mit Luke, dem (vermeintlichen) Täter. Sie liegt Jahrzehnte zurück und war der Grund, warum er, Falk, das Städtchen verließ, nach Melbourne ging, wo er bei der Polizei Karriere gemacht hat.
„The Dry“ (Australien 2020, Regie: Robert Connolly). Die DVD ist ab rund 12 Euro im Handel erhältlich.
Nun kehrt er zur Beerdigung als Privatmann zurück. Nimmt sich ein Zimmer im stets leeren Hotel, das auch die Bar ist, in der man sich trifft und bei Gelegenheit prügelt. Stellt fest, dass der Hass, mit dem er vor Jahrzehnten verfolgt wurde, noch lebendig ist. Und beschließt doch zu bleiben, weil er nicht glauben kann, dass die offizielle Version des Verbrechens die zutreffende ist. Er tut sich mit dem unerfahrenen Polizisten des Orts zusammen, der ihm als Ermittler das Feld überlässt.
Der Film hat die Ruhe weg
In Küchen und Wohnzimmern führt er Gespräche, die meisten wünschen ihn zur Hölle, oder zumindest nach Melbourne zurück. Er bandelt an mit Gretchen (Genevieve O’Reilly), die er von früher noch kennt, auf zurückhaltende Weise, er begegnet dem Hass auf noch zurückhaltendere Weise und folgt, darin ist der Film ganz traditioneller Krimi, den Spuren, den richtigen und den falschen, die ihn nach und nach in Richtung Wahrheit führen.
Auf breiter Leinwand ist das erzählt, mit Menschen, die sich in der Weite der Landschaft manchmal fast verlieren. Auf die angenehmste Weise hat der Film von Anfang bis Ende die Ruhe weg wie sein Held.
Es ist eine doppelte Geschichte, die er entfaltet. Neben der Gegenwart ist in Rückblenden zu sehen, was vor Jahrzehnten geschah, was Luke und Falk und Gretchen als gemeinsames Trauma verbindet: Auch damals starb jemand, Ellie (BeBe Bettencourt), die im Fluss ertrank. Das war offiziell Selbstmord, aber Falk, der sich damals gerade in sie zu verlieben begann, wurde von vielen des Mordes verdächtigt.
Es sind also zwei Fälle, die es zu lösen gilt, und tatsächlich wird es am Ende auf alle Fragen Antworten geben. Das Drehbuch (nach einem Roman von Jane Harper) nimmt sich mit schöner Geduld den doppelten Knoten und löst ihn, Zug um Zug, ruhig, konzentriert, so zurückgenommen wie Eric Bana, der so generell ausdruckslos bleibt, dass ein Stirnrunzeln schon ein Erdbeben auslöst. Einmal wird die Musik in den deutschen Untertiteln einfach nur als „Schwelen“ bezeichnet, und das ist sie.
Ja, „The Dry“ ist ein schwelender Film, die Figuren sind (durchweg großartig) schwelend gespielt, das Verbrechen schwelt, die Vergangenheit schwelt, die Landschaft schwelt – darum passt es, dass die Geschichte nicht nur auf die Aufklärung der Verbrechen hinausläuft, sondern auf Flamme und Feuer. „The Dry“ ist ein Krimi als Seelenentschwelungsanlage, und zwar der gelungenen Art.
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