: Euro-Notenbanker bleiben stur
Europäische Zentralbank kann sich nicht entscheiden, ob sie etwas gegen die Wachstumsschwäche oder gegen Inflationsrisiken tun soll – und unternimmt deswegen gar nichts. Kritik an der zu straffen Geldpolitik wächst
VON NICOLA LIEBERT
Die Europäische Zentralbank (EZB) trotzt dem wachsenden politischen Druck und lässt den Leitzins in der Eurozone unverändert bei 2 Prozent. EZB-Chef Jean-Claude Trichet bezeichnete gestern nach der Sitzung des Notenbankrats in Frankfurt die Zinsen als „angemessen“. Immerhin betonte er diesmal in seiner Erklärung die Konjunkturrisiken mehr und die Inflationsrisiken durch die hohen Ölpreise weniger. Den Gedanken an eine baldige Zinserhöhung hat die EZB also aufgegeben. „Wir kündigen keine Zinssenkung an, wir kündigen keine Zinserhöhung an“, sagte Trichet. Hin und her gerissen zwischen Zinssenkung und Zinserhöhung geht es der EZB wohl wie Buridans Esel, der verhungerte, weil er sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden konnte.
Die EZB ist in die Kritik geraten, weil ihre Zinspolitik nicht auf die Wachstumsschwäche in mehreren europäischen Ländern Rücksicht nehme. Vor allem die deutsche und die italienische Regierung hatten sich beklagt, die Zinsen würgten die Konjunktur ab. Auch der Industrieländer-Club OECD sprach sich für niedrigere Zinsen aus.
Selbst das Europaparlament verweigerte am Dienstag der EZB die Gefolgschaft und lehnte die Beschlussvorlage des Währungsausschusses zum EZB-Jahresbericht ab, in dem die strenge Zinspolitik ausdrücklich gelobt worden war. Die Notenbanker dürften sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern müssten durch eine lockerere Geldpolitik einen Beitrag zur Erholung der Wirtschaft leisten.
Das Problem ist allerdings, dass nicht überall in der Eurozone das Wachstum schwach und die Inflation gering ist. In Spanien etwa wäre angesichts eines kräftigen Wirtschaftswachstums und einer Preissteigerungsrate deutlich über 3 Prozent eine Zinserhöhung durchaus nicht verkehrt. So wird die mangelnde wirtschaftliche Konvergenz in der EU zum echten Risiko für die Gemeinschaftswährung. Sorgen um deren künftigen Bestand löste auch der französische Notenbankchef Christian Noyer aus, als er nüchtern feststellte, es sei „möglich, dass ein Land die Eurozone verlässt“.
Wahrscheinlich wird die EZB den Leitzins bis auf weiteres konstant halten. Einer Reuters-Umfrage zufolge rechnen zwar drei von vier Volkswirten nach wie vor mit einer Zinserhöhung – aber erst im kommenden Jahr und damit deutlich später als noch vor kurzem erwartet.
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