Kuratorin über rechte Allianzen: „Wo der Backlash gepusht wird“
Das Forum „Your body is a battleground“ in Frankfurt beleuchtet ultrakonservative Bündnisse. Kuratorin Asia Leofreddi über deren Gefahr.
taz: Frau Leofreddi, Ihr Forum hat den Titel „Your body is a battleground“. Um welchen Kampf geht es?
Asia Leofreddi: Zunächst um den der Frauen und sexuellen Minderheiten. Konkret bezieht sich der Titel auf eine berühmte Arbeit der US-amerikanischen Konzeptkünstlerin, Feministin und Aktivistin Barbara Kruger. Sie hat den Slogan anlässlich des Frauenmarschs in Washington 1989 auf das Porträt einer Frau montiert, es geht um reproduktive Rechte. Wir wollen damit zeigen, wie zeitlos der Kampf um den weiblichen Körper leider ist. Und, dass es bei unserem Forum um Kunst, Politik und Protest geht.
Wogegen protestieren Sie?
Der Untertitel des Forums lautet „Ultrakonservative Strategien zur Wiederherstellung einer ‚natürlichen Ordnung‘ “. Das bezieht sich auf das Manifest von Agenda Europe, einem christlich-fundamentalistischen Netzwerk, das eine imaginäre natürliche Ordnung wiederherstellen und Rechte von Frauen und LGBTIQ demontieren will. Die Bewegung, zu der auch das Netzwerk gehört, attackiert, was in den vergangenen Jahrzehnten erkämpft wurde. Wir haben nun Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen eingeladen, um die Strategien, mit denen der Backlash gepusht wird, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
Jahrgang 1987, ist Journalistin, und Soziologin und die Kuratorin des Forums.
Die feministische Bewegung ist derzeit stark wie nie. Wo sehen Sie den Backlash?
In Polen wurden Schwangerschaftsabbrüche gerade fast vollständig verboten. Die Türkei ist aus der Istanbulkonvention gegen Gewalt gegen Frauen ausgetreten, in europäischen Ländern wie Bulgarien, Ungarn oder Kroatien wird die Konvention attackiert. Zudem haben die Verteidigung der sogenannten natürlichen Familie oder Attacken auf sogenannte Genderideologie für viele populistische und rechte Parteien einen zentralen Stellenwert eingenommen. Und schließlich organisieren sich Anti-Choice-Aktivist:innen in Bürgerinitiativen und bilden transnationale Allianzen. Die größte Gefahr sind deren zunehmend enge Kontakte zu rechten Parteien. Die führen dazu, dass sie nicht nur Debatten beeinflussen, sondern, wenn diese Parteien an die Macht kommen, auch die Politik. Es ist eine große Gefahr, dass progressive Bewegungen zu spät kommen, um gegen all das aufzustehen.
Wie meinen Sie das?
Momentan sehen wir, was passieren kann, wenn wir nicht aufmerksam sind. Wir sind uns in den europäischen Gesellschaften zu sicher, dass wir auf einem progressiven Weg unterwegs sind. Doch Menschenrechte sind nicht einfach gegeben, und sie gelten nicht automatisch für immer. Sie sind Subjekt politischer Auseinandersetzung. Und nun versuchen Ultrakonservative, ein neues Framing durchzusetzen. Wir müssen verstehen, was gerade passiert. Nur so können wir unsere Demokratie und Menschenrechte verteidigen.
Your body is a battleground – ultrakonservative Strategien zur Wiederherstellung einer ‚natürlichen Ordnung‘ “ findet am 18. und 19. 9. 2021 im Frankfurter Kunstverein statt. Alle Panels werden auf Deutsch und Englisch live auf dem Youtube-Kanal des Frankfurter Kunstvereins übertragen (www.fkv.de)
Würde sich für diese Themen nicht eher ein politisches Tagungszentrum anbieten als der Frankfurter Kunstverein?
Unsere Speaker:innen kommen an einem interdisziplinären Ort für zeitgenössische Kunst und Kultur zusammen, und die Direktorin Franziska Nori und ihr Team organisieren das Forum gemeinsam mit dem Forschungsverbund „Normative Orders“ der Goethe-Universität. Zudem unterstützt uns die Stadt Frankfurt. Ich wollte unbedingt ein öffentliches Event, das die Zivilgesellschaft als Ganzes erreichen kann. Der Frankfurter Kunstverein bietet einen offenen sozialen Raum, der immer wieder über ein erwartbares Publikum hinausgeht.
Aber warum die Kunst?
Unser Gedanke war: Diese Bewegungen arbeiten in gewisser Weise still und heimlich; man kann ihre Zeichen lesen, wenn man sie kennt – aber nur dann. Wir wollen der Öffentlichkeit verständlich machen, wie sie diese Zeichen lesen kann. Ein Ort, der sich mit Kunst beschäftigt, folgt derselben Logik: Er macht etwas sichtbar, was nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.
Wer wird kommen?
Wir haben zwanzig Speaker:innen eingeladen – wir eröffnen das Forum mit einem Gespräch mit Neil Datta. Datta ist Direktor des Europäischen Parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte und hat mit öffentlich gemacht, wie Agenda Europe arbeitet. Unser Untertitel hat mit seiner Arbeit zu tun. Die US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser wird dabei sein. Sie beschreibt Antifeminismus als eine Reaktion auf etwas, was sie „progressiv-neoliberale“ Hegemonie nennt.
Was erwarten Sie vom Forum?
Ich hoffe, dass es ein kollektiver Moment wird, bei dem sich die Speaker:innen der verschiedenen Disziplinen austauschen, die Zivilgesellschaft zusammenkommt, um Gegenstrategien zu besprechen. Natürlich, geht es um Rechte von Frauen und LGTBIQ. Aber die Attacken richten sich gegen uns alle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos