Bericht des Klimarats alarmiert: „Die Welt steht auf der Kippe“
Die Regierungen müssten sofort handeln – das fordern Politiker*nnen und Aktivist*innen weltweit als Reaktion auf den Bericht des Klimarats IPCC.
Der Weltklimarat hatte in seinem neuen Bericht eindringlich vor einem bevorstehenden Kontrollverlust bei der Erderwärmung gewarnt. Wenn nicht sofort und umfassend gehandelt werde, steige die Welttemperatur in den nächsten 20 Jahren um mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, heißt es in der am Montag veröffentlichten Untersuchung.
Die Menschheit sei dabei, ihr verbleibendes CO2-Budget für 1,5 Grad innerhalb der nächsten zehn Jahre aufzubrauchen. Klima-Veränderungen mit schwerwiegenden Folgen gebe es bereits jetzt: Hitzewellen, die früher alle 50 Jahre vorgekommen seien, werde es künftig alle zehn Jahre geben.
Auch Umweltverbände wie Germanwatch, der WWF und Greenpeace forderten sofortiges Handeln: „Das Schockierende dieses Berichts ist, dass alles Alarmierende darin abzusehen war – und doch bewegen sich Regierungen und Konzerne beim Klimaschutz noch immer im Schneckentempo“, sagte Christoph Thies von Greenpeace.
„Klimakrise zerstört unsere Lebensgrundlagen“
Die Menschen in Deutschland hätten „inzwischen schmerzhaft erfahren, dass die Klimakrise unsere Lebensgrundlagen immer schneller zu zerstören droht.“ Der Bericht müsse zusammen mit den jüngsten Bildern von Bränden und Fluten die Politik aufrütteln.
Der WWF forderte, die Bundestagswahl im Herbst müsse eine Klimawahl werden: „Lauter als im neuen Bericht des Weltklimarats kann die Wissenschaft nicht mehr warnen“, erklärte Christoph Heinrich, Vorstand für Naturschutz. „Wir müssen dringend handeln, ein weiteres Zögern werden wir uns selbst nicht mehr verzeihen können, ganz zu schweigen von unseren Kindern.“
Germanwatch betonte, die Instrumente zum Kampf gegen den Klimawandel seien da. „Es muss gelingen, die globalen Emissionen in den kommenden zehn Jahren nahezu um die Hälfte zu reduzieren“, verlangte Rixa Schwarz, Leiterin des Teams Internationale Klimapolitik.
Greta Thunberg nicht überrascht
Klimaaktivistin Greta Thunberg zeigte sich vom neuen IPCC-Bericht nicht überrascht. „Er bestätigt, was wir schon aus Tausenden vorherigen Studien und Berichten wissen – dass wir uns in einem Notfall befinden“, schrieb die schwedische Fridays-for-Future-Aktivistin am Montagvormittag auf Twitter und Instagram. Es handele sich um eine solide, aber vorsichtige Zusammenfassung des derzeitigen Wissensstands.
Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer forderte die Politik auf, das fossile Zeitalter schnell und radikal zu beenden. Der Bericht sei „ein Menschheitsmoment. Der Weltklimarat ist deutlich: Wir können noch immer die schlimmsten Katastrophen verhindern und das Klima langfristig bei etwa 1,5 Grad stabilisieren.“ Es sei klar: „Die Welt steht auf der Kippe“.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte, dass sich auch Deutschland auf immer mehr Extremwetterereignisse einstellen müsse. „Die gehen nicht mehr weg, denn wir können den bereits erfolgten Klimawandel nicht zurückdrehen. Wir können die Erderhitzung aber verlangsamen“, erklärte die SPD-Politikerin in der Rheinischen Post (Montag).
„In den kommenden zehn Jahren entscheidet sich, ob wir es schaffen werden, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, betonte Schulze. Immerhin habe sich einiges getan. Noch vor wenigen Jahren sei die Welt auf einem Kurs in Richtung 3,5 Grad gewesen. Mittlerweile steuerten viele Staaten um und begönnen mit der Absenkung des Treibhausgasausstoßes. „Das bringt uns mittlerweile Richtung 2,4 Grad“, sagte die deutsche Umweltministerin.
Der neue IPCC-Bericht gilt als Leitlinie für die Weltklimakonferenz im November in Glasgow. Hier sollen die Staaten – wie im Klimavertrag von Paris vereinbart – neue Vorgaben zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes verbindlich festlegen. Das Ziel ist, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf unter zwei Grad – möglichst auf 1,5 Grad – gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Eine solche Erwärmung gilt als gerade noch beherrschbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger