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Milliarden aus der Corona-BazookaPingpong mit dem IWF

Der Währungsfonds hat Milliarden bereitgestellt, um pandemiegeblagten Ländern zu helfen. Argentinien nutzt seinen Anteil, um Schulden abzubauen.

Anstehen für Essen: die zweite Welle hat viele in Buenos Aires arm gemacht Foto: Juan Ignacio Roncoroni/imago

Buenos Aires taz | Rund 4,3 Milliarden US-Dollar stellt der Internationale Währungsfonds (IWF) im Rahmen seiner Corona-Bazooka für Argentinien bereit. Doch statt damit Investitions- oder Förderprogramme aufzulegen, will die Regierung in Buenos Aires mit den Milliarden Schulden tilgen – ausgerechnet beim IWF. Der argentinische Anteil an den neuen Sonderziehungsrechten entspricht fast genau der in den kommenden Monaten fälligen Summe.

Am Montag hatte das IWF-Direktorium angekündigt, Sonderziehungsrechte (SDR) über insgesamt 650 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, um die pandemiegebeutelten Volkswirtschaften vor allem der ärmeren Staaten Afrikas, Lateinamerikas und Asiens zu unterstützen. Als Folge des Lockdown war Argentiniens Wirtschaft 2020 um 10 Prozent geschrumpft. Die Inflationsrate stieg, Ende des Jahres lebten 42 Prozent der rund 45 Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen unter der Armutsgrenze.

Mit solchen Daten gehört Argentinien zweifelsfrei zur Zielgruppe der neuen SDR des IWF. Doch das Land ist auch der mit Abstand dessen größter Schuldner. 2018 gewährte der Fonds der damaligen liberalkonservativen Regierung von Präsident Mauricio Macri einen Kredit über 57 Milliarden US-Dollar, von denen 44 Milliarden Dollar ausgezahlt wurden. Es ist die mit Abstand größte Kreditsumme, die der IWF jemals einem Mitgliedsland bereitgestellt hat.

Im September müssen 1,87 Milliarden Dollar davon getilgt werden. Im November sind es Zinsen und Zuschläge in Höhe von 640 Millionen Dollar und im Dezember werden abermals 1,87 Milliarden Dollar fällig. „Argentinien ist nicht in der Lage, die Schulden beim IWF zu begleichen, daher braucht es mehr Zeit“, sagte Wirtschaftsminister Martín Guzmán vor wenigen Tagen.

Unverbindliche Gespräche

Seit dem Amtsantritt von Präsident Alberto Fernández 2019 spricht die Regierung mit dem IWF über eine Neustrukturierung der Schuldenlast. Ziel ist, die jährliche Schuldentilgung auf ein Maß zu reduzieren, das Investitionen durch den Staatshaushalt sowie einen finanziellen Handlungsspielraum für eine effektive Sozialpolitik ermöglicht.

Der IWF verlangt ein Anpassungsprogramm, dessen Kern die Reduzierung der Staatsaugaben ist, um die für den Schuldendienst nötigen Finanzmittel überhaupt locker machen zu können. Dagegen sperrte sich Vizepräsidentin Cristina Kirchner. Noch im Mai hatte sie den Senat eine Absichtserklärung verabschieden lassen, wonach Schulden nicht durch neue Kredite getilgt werden dürfen. Diese Erklärung zielte auch auf die neuen SDR, über die in Argentinien bereits damals spekuliert wurde. Vor zwei Wochen hatte die Vizepräsidentin ihren Widerstand aufgegeben und für Schuldentilgungen durch SDR grünes Licht gegeben.

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