piwik no script img

Schmutz im Schwimmbecken

Eine Gruppenausstellung im Künstlerhaus Bethanien geht dem Motiv des Pools nach und findet dabei manches Ungemach

Von Beate Scheder

Dieser Sommer macht es Berlin nicht leicht. Wenn man das denn überhaupt noch Sommer nennen möchte, diese Tage, in denen die Luft schon nach Herbst riecht und es nur noch die abgehärtetsten Tou­ris­t*in­nen wagen, in kurzen Hosen dem tristen Wetter zu trotzen.

Wer jetzt noch draußen schwimmen geht, hat dabei wohl primär die eigene Fitness im Sinn und nicht das pure, süße Nichtstun am gechlorten Wasser, dafür fehlen die entscheidenden Grade und Sonnenstrahlen. Immerhin das Künstlerhaus Bethanien hat vorgesorgt und wartet mit dem passenden Alternativprogramm zum Freibadbesuch auf.

„Swimming Pool – Troubled Waters“ heißt die Gruppenausstellung mit umfangreichem Filmprogramm, kuratiert von Valeria Schulte-Fischedick beziehungsweise Olaf Stüber, die dort gerade läuft und in der beim näheren Hinsehen alles weit weniger hübsch türkis glitzert, als es auf dem ersten Blick scheint.

Pate für den Ausstellungstitel stand – man könnte darauf kommen – Jacques Derays eleganter Thriller „La Piscine“ aus dem Jahr 1969 mit Romy Schneider und Alain Delon in den Hauptrollen und noch mehr dessen Remake von Luca Guadagnino, „A Bigger Splash“ aus dem Jahr 2015, wo sich als Nebenhandlung des Films die Realität der anderen, weniger Privilegierten hineindrängt – afrikanische Geflüchtete an der Küste der Insel, wo die Reichen und Schönen Urlaub machen.

Ebendarum geht es den Ku­ra­to­r*in­nen der Schau, um die Frage, für wen der hedonistische Lifestyle am kühlen Nass überhaupt erreichbar ist. Der Pool wird zur Metapher für die Unbeschwertheit und Unbedarftheit derer, die es sich leisten können.

Auf den Schmutz unter der (Wasser-)Oberfläche haben es alle der beteiigten Künst­le­r*in­nen abgesehen. Und manchmal schwimmt dieser gleich oben drauf: Für seine Arbeit „The Big Oil Splash (BP Blue/Blue) hat sich der französische Street-Art-Künstler Aguirre Schwarz, bekannt auch als ZEVS, des ikonischen Hockney-Pools angenommen – fast bis aufs Detail, wäre da nicht das schwarze Graffito an der Bungalowwand, aus dem sich eine schmierige Öl­lache ins Beckenwasser ergießt. Auch Monira Al Qadiri sucht in ihrem Video – zu sehen im Filmprogramm – Bilder für die fatalen Folgen der Mineralölförderung. Die Künstlerin mit kuwaitischen Wurzeln lässt in „Diver“ anmutige Synchronschwimmerinnen in ölverschmutzem Wasser ihre Künste vollführen, während dazu ein traditionelles Perlentaucherlied ertönt.

Tanya Busse und Emilija Škarnulytė, die sich als Duo „New Mineral Collective“ nennen, haben für ihre Videoinstallation „Neon Oasis“ in einem Spa in Las Vegas gefilmt, einem verschwenderischen Wellness­tempel mitten in der Wüste. Von Überfischung erzählen die Netze, die von der isländischen Künstlerin Hulda Ros Gudnadottir in den Raum gelegt wurden, von Massentourismus und Meerwasserverschmutzung die mit Sonnenmilch verschmierten Handtücher von Sandra Vaka.

Andere Arbeiten, vor allem aber die vom C& Center of Unfinished Business eingerichtete Leseinsel zielen mehr auf kolonialismuskritische Aspekte des Reisens ab. Ming Wongs Installation „Bloody Marys-Song of the South Seas“ dechiffriert die exotistisch-sexistische Darstellung von Frauen aus den Tropen im Hollywoodfilm. Eine poetische Annäherung an Freundschaft, Sehnsüchte und Abschiede, vor dem Hintergrund von Migration ist „Naufrage“ des algerischen Künstlers Mounir Gouri – zwei Männer auf einem Boot, tanzend in Schwarz-Weiß.

Die Schau ist vielschichtig, vielleicht sogar etwas zu sehr, mitunter ufert sie aus, scheint unbedingt möglichst viele Aspekte abdecken zu wollen und verliert sich dabei. Man sollte vielleicht einfach mehrfach kommen, dem Ganzen – und vor allem den Videos und Filmen – ausreichend Zeit zu geben.

Bis 15. September, Künstlerhaus Bethanien. Katalog 29 Euro. www.swimmingpooltroubledwaters.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen