piwik no script img

Olympia als ReizüberflutungIch gucke in die Röhren

Noch nie war das olympische Angebot so breit gefächert. Ein Erfahrungsbericht mit Second Screen, Streams und Olympia-App.

Wird alles angeschaut: natürlich auch das Mehrkampf-Finale der Turnerinnen Foto: Marijan Murat/dpa

Ich habe es komplett verlernt, bei den Olympischen Spielen Fernseh-Zuschauer zu sein. In den vergangenen 13 Jahren war ich meist selbst vor Ort. Nur in London 2012 musste ich passen – und wegen widriger Umstände nun leider auch in Tokio.

Ich versuche meine Absenz durch einen erhöhten Konsum von Olympiasport wettzumachen, bin wohl getrieben vom Ehrgeiz, möglichst viel zu sehen, auch noch das Abseitigste mitzubekommen, nicht nur beim 3x3-Basketball auf dem Laufenden zu sein, sondern auch beim Beachvolleyball, Mountainbike, Wildwasserkanu und Turnen, um nur eine kleine Auswahl meiner vielen Olympiavorlieben zu nennen.

Dieses Überall-und-mittendrin-Sein überfordert mich höllisch, und das Überangebot an Bildern, Streams und Kanälen macht es nicht eben leichter. Ich switche hin und her zwischen Eurosport 1 und 2, das ich auf DAZN schaue, den Angeboten von ARD und ZDF, deren Livestreams auf meinem Fernseher aber immer wieder wegschnippen und auch eine schlechtere Bildqualität als das Normalo-Programm haben.

Gefühl der Exklusivität

Also baue ich das iPad als Second Screen vor mir auf, um dann noch mit dem Smartphone zu hantieren, auf das ich die Olympia-App des Internationalen Olympischen Komitees geladen habe.

In aller Herrgottsfrühe checke ich darauf das Geschehen der Nacht, meist die Schwimmwettkämpfe. Zur Vertiefung logge ich mich nach dem Morgenkaffee ins „MyInfo“-System der Sommerspiele auf dem Computer ein, zu dem nur Journalisten Zugang haben.

Es vermittelt mir das Gefühl von Exklusivität, aber eigentlich sorgt es nur wieder für eine zusätzliche Flut von Informationen, die kein normaler Mensch bewältigen kann. Zwischendurch bin ich auch mal auf der Teletext-App unterwegs – und Joyn gäbe es ja auch noch als weiteren Olympiaanbieter.

Die meiste Zeit gucke ich Streams, Live oder Re-Live. Echte Experten und solche, die es sein wollen, scheuen das vorgekaute und meist zu spät eingeblockte Zeug von ARD und ZDF; der patriotische Pathos nervt eh. Olympia bietet mehr als den Tunnelblick ins Nationale, nämlich die ganze Welt. Die will ich mir ins Wohnzimmer holen. Diese Art der Willkommenskultur hat es echt in sich. Puh.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen