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Dauerduell im SchwimmbeckenFinale der fleißigen Frauen

Die Australierin Ariarne Titmus besiegt über 400 Meter Freistil die Topfavoritin Katie Ledecky aus den USA. Aber das Duell geht weiter.

Australiens neuer Schwimmstern: Ariarne Titmus, Siegerin über 400 Meter Freistil Foto: AP/Martin Meissner

Es ist das große Duell dieser Olympischen Spiele bei den Schwimmerinnen im Tokyo Aquatic Center. Und das erste hat die Herausforderin Ariarne Titmus aus Australien auf beeindruckende Weise gewonnen. Katie Ledecky, die dominante Freistilschwimmerin der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, wo sie viermal von ganz oben mit der Goldmedaille winkte, ist gleich im ersten Rennen dieser Spiele ein Stück aus ihrer Krone herausgebrochen worden.

In der Königinnendisziplin über 400 Meter, die weder Sprint- noch Ausdauertalente begünstigt, konnte die US-Amerikanerin ihre Konkurrentin zuerst auf gute Distanz halten, aber nicht weit genug. Denn die 20-jährige Titmus verfügte über erstaunliche Kraftreserven vor allem auf den letzten 200 Metern. Zur Hälfte des Rennens lag Ledecky noch 66 Hundertstel vorn, am Ziel schlug sie 67 Hundertstel später an. Die 19-jährige Deutsche Isabel Gose, die im Vorlauf überraschend den deutschen Rekord gebrochen hatte, wurde Siebte.

Ledecky wollte sich jedoch hernach keine Vorwürfe machen: „Viel mehr als das kann ich nicht leisten. Es war ein tolles Rennen. Es hat viel Spaß gemacht. Ich kann nicht sonderlich enttäuscht sein. Es war über diese Strecke die zweitbeste Zeit, die ich je geschwommen bin.“ Titmus, die nach 3:56,69 Minuten anschlug, habe von Anfang an das Rennen kontrolliert, lobte Ledecky. So cool wie es aussah, war es aber wohl nicht: „Ehrlich gesagt, habe ich mir nach 200 Metern ein bisschen Sorgen gemacht, aber ich bin natürlich nicht unvorbereitet zu den Spielen gekommen.“

Bei der Weltmeisterschaft 2019 in Südkorea hatte Titmus eigentlich auf identische Weise Ledecky schon einmal hinter sich gelassen. Doch die große Favoritin war damals gesundheitlich angeschlagen und musste die WM vorzeitig abbrechen. Diese Woche werden sich die beiden höchstwahrscheinlich des Öfteren noch auf dem Podium sehen. Beide werden noch über 200 und 800 Meter Freistil an den Start gehen, und Ledecky hat sich natürlich auch für ihre Paradestrecke, die 1.500 Meter Freistil, gemeldet, die erstmals bei den Frauen olympisch ist.

Anpassung an US-Fernsehmarkt

Das noch reichhaltigere Olympia-Programm könnte der 24-Jährigen bei dieser neuen Konkurrenzlage zum Verhängnis werden. Allein am Montag musste Ledecky nach dem Finale über 400 Meter noch in die Vorläufe über 200 Meter und 1.500 Meter gehen. Wegen ihres immensen Trainingsfleißes und der damit verbundenen hohen Ausdauerwerte wird ihr zwar eine extrem schnelle Regenerationsfähigkeit nachgesagt.

Aber es kommt noch ein weiteres Problem hinzu, mit dem Konkurrentin Titmus möglicherweise beim ersten Aufeinandertreffen besser umgehen konnte. Genau umgekehrt wie sonst üblich finden hier die Finals morgens und die Vorläufe abends statt, damit der zahlungskräftige TV-Markt in den USA sein Publikum zu quotenträchtigeren Zeiten mit Höhepunkten versorgen kann. Schwimmer in Tokio haben bereits geklagt, dass sie vor ihrem großen Auftritt kaum Schlaf finden.

Vielleicht aber sieht sich die bis vor Kurzem so unbesiegbar erscheinende Katie Ledecky nach einem Olympiazyklus bereits ihrer Nachfolgerin gegenüber. Ariarne Titmus betrachtet sich ebenfalls vornehmlich als harte Arbeiterin. Als sie jung war, hätte ihr niemand zugetraut, eine gute Schwimmerin zu werden, erzählt Titmus. Erst hartes Training und Leidenschaft hätten sie an die Weltspitze gebracht.

Das sagen alle. Bei ihrer Konkurrentin Ledecky kamen, vermutlich unvermeidlich, schon Zweifel auf, als sie begann, trotz ihrer so Streckenvarianz von 200 bis 1.500 Meter, Rekorde über Rekorde aufzustellen. Der einstige deutsche Bundestrainer Henning Lambertz hat dazu gesagt: „Es muss nicht mit Doping zu tun haben, aber es gibt Fragezeichen.“ Mit einer gesunden Skepsis wird man auch die Leistungssteigerungen von Titmus beobachten müssen, die nun in den Bereich von Ledecky vorgestoßen ist.

Letztere hat zumindest einen Trumpf in der Hand. Beim 1.500-Meter-Finale am Mittwoch wird ihre junge Herausforderin nicht mit ins Becken steigen. Und die Bestzeit der dort wohl größten Herausforderin, der Italienerin Simona Quadarella, liegt etwa 20 Sekunden überm Weltrekord von Ledecky. Eine Goldmedaille sollte fünfmalige Olympionikin also auf jeden Fall mit auf die Heimreise nehmen können.

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