: Wenn der Schmerz erst groß genug ist
Je seltener der Besuch beim Zahnarzt, desto höher werden die Kosten: Hamburger Zahnmediziner und Krankenkassen fordern Patienten auf, ihre eigenen Kosten zu senken und Geld nicht zu verschenken. Auf 9,5 Millionen Euro haben sie bereits verzichtet
Von Elke Spanner
Ein kleines bisschen sind die Patienten auch selbst schuld. Immer dann, wenn sie den Besuch beim Zahnarzt vermeiden, solange sie nicht durch Schmerzen auf den Behandlungsstuhl gezwungen werden. Denn wenn nur ein einziger Jahresstempel im Bonusheft der Krankenkasse fehlt, zahlt diese weniger dazu, wenn irgendwann Brücken, Kronen oder anderer Zahnersatz vonnöten ist. Etwa 9,5 Millionen Euro haben Hamburger Zahnarztpatienten in den vergangenen zehn Jahren zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen verschenkt.
Darauf haben nun die Zahnärztekammer Hamburg und die Kassenzahnärztliche Vereinigung der Hansestadt hingewiesen. „Hätten sie jährlich Stempel im Bonusheft gesammelt, hätten die Patienten diese Summe einsparen können“, sagte gestern Claus Franz, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung: „So lag der Eigenanteil entsprechend höher.“
Und der scheint seit Anfang des Jahres ohnehin noch weiter gestiegen zu sein. Seit Januar zahlen die Krankenkassen nur noch einen Festzuschuss für die Behandlung eines bestimmten zahnmedizinischen Befundes. Dem Patienten ist selbst die Entscheidung überlassen, wofür er diesen verwendet, ob er also beispielsweise eine konventionelle Brücke bestellt oder ein modernes Implantat.
„Der Patient hat mehr Freiheit“, fasst Gerd Eisentraut zusammen, Sprecher der Hamburger Zahnärzte. „Er hat in der Regel höhere Kosten“, hält dem Frank Meiners entgegen, Sprecher der Hamburger DAK. Früher hätten die Patienten bei über 50 Prozent aller Versorgungen mit Zahnersatz zwischen 50 und 90 Prozent der Gesamtkosten erstattet bekommen. Heute sei das nur noch bei einem knappen Drittel der Fall.
Dass die Kosten für die Patienten gestiegen sind, läge zum einen daran, dass höherwertige Leistungen in die Abrechnung mit einbezogen werden, wie beispielsweise Implantate. Daneben könnten die Zahnärzte etliche Leistungen aber auch mit einem erhöhten Satz abrechnen.
Die DAK hat seit Januar die Tendenz beobachtet, dass viele Versicherte die Versorgung mit Zahnersatz aufschieben oder gar ganz darauf verzichten, so weit dies möglich ist. Die Patienten gehen zwar noch zur Untersuchung zum Zahnarzt, und es werden ähnlich viele Heil- und Kostenpläne für den Zahnersatz bei der Kasse eingereicht – geht es jedoch darum, tatsächlich den Gipsabdruck zu nehmen und Brücke oder Krone anfertigen zu lassen, erscheinen viele Patienten nicht mehr zum Termin.
„Diese Zurückhaltung erklären wir uns mit der wirtschaftlichen Situation der Patienten“, sagt Meiners. Um diesen die Entscheidung leichter zu machen, bietet die DAK zusammen mit der Deutschen BKK seit Juli einen Service an, durch den die Mitglieder ihren Eigenanteil am Zahnersatz senken können.
Auf der Internetseite von „CareDental“ können die Versicherten selbst in Erfahrung bringen, welches Zahntechniklabor die notwendige Leistung zum günstigsten Preis anbietet. Die Nachfrage der Dentallabors, in das Verzeichnis mit aufgenommen zu werden, ist laut Meiners groß. Im Gegenzug verpflichten sie sich, vorgegebene Qualitätsstandards einzuhalten.
Ob sich dieses Wettbewerbssystem für alle Beteiligten bewähren wird, muss die Praxis erst noch zeigen. Zahnmediziner arbeiten in der Regel mit einzelnen Labors fest zusammen, mit deren Arbeit sie in der Vergangenheit zufrieden waren. „Es besteht ein eheähnliches Verhältnis“, beschreibt es Zahnärzte-Sprecher Eisentraut. Es sei der eigenen Entscheidung der Zahnärzte überlassen, ob sie auf Wunsch eines Patienten dann tatsächlich Implantat oder Krone in einem ihnen unbekannten Labor in Auftrag geben.
Infos: www.caredental.de
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