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Die Wochenvorschau von Thomas MauchVon Gottbegnadeten und Medaillen

Thomas Mauch
Kommentar von Thomas Mauch

Früher gab es bei den gerade begonnenen Olympischen Spielen noch ganz andere Disziplinen: Bis 1920 Tauziehen, 1936 in Berlin Orchestermusik.

Die 14-jährige Berlinerin Lilly Stoephasius ist die jüngste Deutsche bei den Olympischen Spielen Foto: dpa

D ass manches einfach aus der Mode kommt und anderes dagegen gerade im Trend ist, das gilt auch für den olympischen Geist.

Dem Tauziehen zum Beispiel ist dabei längst die Luft ausgegangen. Letztmals zog man 1920 in Antwerpen olympisch um die Wette (Gold ging übrigens an das Vereinigte Königreich), während andererseits jetzt in Tokio bei den Spielen Skateboard olympische Premiere feiern wird. Mit dabei auf dem Brett ist aus Berlin die 14-jährige Lilly Stoephasius, die jüngste deutsche Teilnehmerin in Tokio, die dann nächste Woche, am 4. August, in den Wettbewerb geht.

Überall Wandel, alles im Fluss. Manchmal nur in Detailfragen: 1936 etwa spielte man bei den Olympischen Spielen in Berlin Basketball, damals frisch im Programm, noch draußen im Freien. Und überhaupt musste man nicht in allen Disziplinen sportlich ins Schwitzen kommen. So hat 1936 auch der Werner Egk, der dem deutschen Neoklassizismus zugerechnete Komponist, eine olympische Goldmedaille errungen, und zwar in der Disziplin „Orchestermusik“. Weil nämlich damals (und noch bis zu den Spielen 1948) neben der Begutachtung und Vermessung der körperlichen Verfasstheiten auch die geistige Fitness zur Schau gestellt werden sollte mit der Austragung von Kunstwettbewerben. Ein olympisches Ringen in Literatur, Musik, Malerei, Bildhauerei und sogar Architektur.

Wobei der Name Egk neben der Goldmedaille schon noch deswegen interessant ist, weil er auch auf der sogenannten Gottbegnadeten-Liste notiert war, einer 1944 in der Endphase des Zweiten Weltkrieges von Joseph Goebbels und Adolf Hitler zusammengestellten Liste mit Künstlern, die dem Regime so wichtig und unabkömmlich erschienen, dass sie nicht zur Front mussten, um dort an dem von Goebbels verkündeten „totalen Krieg“ mitzuspielen. In einer am Dienstag eröffnenden Ausstellung im Deutschen Historischen Museum werden diese “Gottbegnadeten“ in den Blick genommen und auch das, was sie nach 1945 in der eben nicht nur neu anfangenden Bundesrepublik gemacht haben.

Egk etwa arbeitete nach dem Krieg von 1950 bis 1953 als Direktor der „Hochschule für Musik“ in West-Berlin (und seine gar nicht kreuzkonservative, gern schüchtern modernistische Musik ist, mal allein unter musikalischen Gesichtspunkten betrachtet, durchaus hörbar).

Wettstreit oder Freundschaft

Mehr Musik (ohne Egk auf dem Programm): Am Freitag startet der diesjährige Durchlauf von Young Euro Classic, die im Konzerthaus am Gendarmenmarkt eingerichtete Plattform, auf der sich Jugendorchester aus Europa (und gern darüber hinaus) in klassisch-symphonischer Wucht präsentieren und letztlich auch austauschen können. Gleich am Freitag gibt es den gedenktaglichen Rahmen dazu: am 30. Juli wird nämlich immer der Internationale Tag der Freundschaft gefeiert.

Womit man schon wieder beim olympischen Gedanken ist mit der Vorstellung von den Spielen als – Berlin hin oder her und ob sie nun mit Publikum stattfinden oder nicht – so einen friedlichen Wettstreit der Völker. Und dass da gesunder Geist und gesunder Körper zusammenkommen.

Möglicherweise aber übergesund strapazierte Körper kann man am Samstag und Sonntag beim Berlin Triathlon (seit 2000 ist der Schwimmen-Radfahren-Laufen-Dreiklang auch olympisch) mit Start an der Insel der Jugend im Treptower Park beschauen.

Oder, immer gut im Trend, selbst sommerlich den Körper mit leichten Trainingseinheiten massieren und ihn in einem See oder sonstwo abtauchen lassen.

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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