Rassismus bei Polizei Hessen: „Exempel“ gegen Rechts gefordert

ExpertInnen haben ihren Bericht zur Polizei Hessen vorgelegt. Nach dem „NSU 2.0“ und rechten Chatgruppen fordern sie Konsequenzen.

Uniform eines Hessischen Polizisten Polizisten

Der Abschlussbericht der Untersuchung zu rechtsextremen Vorfällen bei der Polizei Hessen wurde vorgelegt Foto: U. J. Alexander/imago

FRANKFURT A. M. taz | Eine ExpertInnenkommission hat am Montag den Abschlussbericht ihrer Untersuchung zu rechtsextremen und rassistischen Vorfällen bei der Polizei Hessen vorgelegt. Die Vorsitzende der Kommission, die Jura-Professorin Angelika Nußberger, sprach von einem „kritischen Moment“ für die hessische Polizei. Nußberger sagte, eine Vielzahl empörender Vorfälle habe zu einem deutlichen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Sie fügte hinzu: „Hessen muss ein Exempel statuieren, dass es den Ehrgeiz hat, im Kampf gegen Rechtsextremismus deutschlandweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.“

Dafür empfiehlt die Kommission aus JuristInnen, PolizeiführerInnen, PublizistInnen und anderen Fachleuten dem hessischen Innenminister Peter Beuth, die Dienstvorschriften und das Disziplinarrecht zu schärfen. Als Grundsatz müsse gelten, dass jeder Beamte verpflichtet werde, sich jederzeit aktiv für die Bekämpfung von Neonazismus und Rechtsextremismus einzusetzen. Der stellvertretende Kommissionsvorsitzende, der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt Jerzy Montag, sagte, jede Verherrlichung des NS-Regimes müsse als schweres Dienstvergehen sanktioniert werden.

Die Kommission schlägt außerdem die Einführung der Regelanfrage bei PolizeibewerberInnen vor. BewerberInnen, die dem Verfassungsschutz wegen rechtsextremer oder neonazistischer Vergangenheit bekannt seien, müsse der Zugang in den Polizeidienst verwehrt werden. Weiter brauche es ein neues Leitbild für die hessische Polizei; Fortbildung und Schulung, vor allem der Führungspersonen, müssten verbessert werden.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit von Ministerium und Polizei sollte sich nach Meinung der Kommission ändern. Die ExpertInnnen empfehlen grundsätzlich eine „proaktive Öffentlichkeitsarbeit“, bei der „Fehlverhalten und Organisationskrisen offen kommuniziert“ werden.

Widerwärtige Fotos

Mit der Einsetzung der Kommission hatte der Landesinnenminister Beuth im Sommer 2020 auf eine lange Serie von Missständen und Verfehlungen in der hessischen Polizei reagiert: Da waren etwa die unter dem Namen „NSU 2.0“ verschickten Drohschreiben gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die Kabarettistin Idil Baydar und die Linken-Politikerin Janine Wissler. Deren persönliche Daten waren in engem zeitlichem Zusammenhang zu den Drohungen widerrechtlich von Polizeicomputern abgerufen worden.

Die Kommissionsvorsitzende Nußberger merkte dazu nun an, dass es in der Kommunikation zwischen der Polizei und den von den Drohschreiben betroffenen Frauen „bedauerliche Missverständnisse“ gegeben habe. Anders als zuletzt Innenminister Beuth sieht sie die Polizei durch die Festnahme eines Tatverdächtigen noch nicht entlastet. Ob und wie weit Polizeibeamte verwickelt seien, sei noch nicht abschließend geklärt, so Nußberger.

Bei den Ermittlungen zum NSU 2.0-Komplex stießen FahnderInnen zufällig auch auf Chatgruppen, in denen BeamtInnen rassistische, neonazistische und menschenverachtende Inhalte geteilt hatten. Bei Ermittlungen wegen sogenannter Kinderpornografie ergab sich zuletzt ebenfalls als Zufallsfund, dass wohl auch Frankfurter SEK-Beamte rechtsextremistische und rassistische Inhalte in einer Chatgruppe geteilt hatten.

Der stellvertretende Kommissionsvorsitzende Montag nannte dazu nun neue Zahlen und beunruhigende Details. In der hessischen Polizei habe es demnach 47 Chatgruppen gegeben, in denen solche Inhalte geteilt wurden. Gegen 100 Beteiligte werde ermittelt, weil sie mutmaßlich strafrechtlich relevante Inhalte geteilt hätten, berichtete Montag.

Er zeigte sich erschüttert über einzelne Posts. Da habe es ekelhafte Montagen mit dem Foto der Leiche eines 2-jährigen syrischen Flüchtlingskindes gegeben. Da trage ein Foto vom Vernichtungslager Auschwitz die Unterschrift: „Das ist eine Judenherberge“. Auf einem Foto rauche ein Schornstein neben einem lachenden Adolf Hitler; die Bildunterschrift: „Da geht eine jüdische Familie davon.“ Der NS-Terrorstaat werde verherrlicht, der Tod von Menschen auf der Flucht bejubelt.

Viele Posts offenbarten einen tiefen Frauenhass, sie seien roh und gehässig und völlig empathielos gegenüber dem Leid anderer Menschen, beklagte Montag. Dass solche Chats über Jahre hinweg unbemerkt unter BeamtInnen ausgetauscht und nur durch Zufall entdeckt worden seien, müsse Konsequenzen haben. In all den Jahren habe nicht einmal einE BeamtIn die KollegInnen wegen solcher Inhalte kritisiert oder angezeigt, so Montag.

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