das portrait: Adrian Nägel hat keine Angst vorm bösen Wolf
Der Unmut über die Hamburger Baupolitik schwelt bei uns schon länger“, sagt Adrian Nägel. Mit „wir“ meint der 46-Jährige die Hamburger Ortsgruppe der „Architects for Future“ (A4F) – Architekt_innen und andere Angehörige der Baubranche, die sich Fridays for Future verbunden fühlen und einem nachhaltigen, ressourcenschonenden Bauen. Gerade hat die Organisation an alle derzeit in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien, aber auch die Bürgermeister_innen Peter Tschentscher (SPD) und Katharina Fegebank (Grüne) geschrieben. In dem offenen Brief fordert A4F eine „drastische Veränderung“ der Stadtentwicklung: hin zu mehr Klimaschutz auch beim Bau neuer Wohnungen.
„Am 23. Juni wurde das ‚Bündnis für das Wohnen‘ zwischen Stadt und Wohnungswirtschaft neu aufgelegt“, sagt Nägel der taz. „Wir hatten die Hoffnung, dass Aspekte des nachhaltigeren Bauens oder auch eine sozialere Ausrichtung daran geknüpft sein würden – sind sie aber nicht.“ Obendrein verfehlt das Bündnis aus Sicht von A4F ein zentrales Ziel, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in der seit Jahren kontinuierlich teurer gewordenen Hafenstadt. Sieben konkrete Forderungen führt das Schreiben auf, darunter einen Stopp der Flächenversiegelung und die Sanierung und Umnutzung von Bauten anstelle von Abriss und Neubau. In diesem Punkt setze die Politik – im Land, aber auch im Bund – aber völlig falsche Anreize, so Nägel. Auch die öffentlichen Förderbanken vergäben sehr viel bereitwilliger Kredite für Neubauten.
„Wenn Politiker_innen über Energieeffizienz sprechen, meinen sie immer den Betrieb: Ein Haus ist fertig gebaut und dann verbraucht es wenig Energie. Sie verschweigen aber die Energie, die schon in das Gebäude gesteckt wird, bevor der erste Bewohner oder die erste Nutzerin einzieht. Die Herstellung macht aber bei einem konventionellen Gebäude 50 Prozent des Energieverbrauchs aus.“
Nägel selbst hat sich nach dem Studium „auf Sanierung spezialisiert“. Eine Weile lang war er dann Projektsteuerer im kommunalen Wohnungsbau in Hamburg und Schleswig-Holstein, aber da war ihm der Fokus „zu stark auf Rendite gerichtet“. 2017 machte er sich selbstständig und arbeitet heute vor allem „mit der Spezialisierung auf strohgedämmten Holzbau“. Das sind energetisch nachhaltigere Materialien – denen manche Menschen aber nicht recht über den Weg trauen: „Es kennt wohl jede_r das Märchen mit den drei Schweinchen“, so Nägel: „Wenn der böse Wolf kommt, ist man nur im Steinhaus sicher – solche Bilder sind tief in unseren Köpfen verankert.“ Alexander Diehl
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