Gruner + Jahr und RTL wachsen zusammen: Neue Verschmelzung
Der Gruner + Jahr-Verlag klärt das zukünftige Verhältnis zu RTL. Es deutet sich an, dass beide Unternehmen miteinander verzahnt werden.
Wenn man das Sprichwort „mehrere Hüte aufhaben“ auf den Medienmanager Stephan Schäfer anwendet, dann lässt sich sagen, dass es zwei XXL-Hüte sind. Bei Bertelsmanns TV-Konzern RTL firmiert er seit Anfang 2019 als Geschäftsführer Inhalte & Marken, und seit April 2021 ist er bei Bertelsmanns Hamburger Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr (Stern, Geo, Brigitte) Vorstandsvorsitzender. Dort war er erst zuvor „Chief Product Officer“ gewesen und hatte unzählige andere Leitungsposition bekleidet.
Bei den großen Hüten kann man schon mal den Überblick verlieren. „Wir haben bei RTL unglaublich viel vor“, sagte Schäfer neulich bei den via Teams stattfindenden „Flurfunk-Sommergesprächen“ von Gruner + Jahr (G+J). Teilnehmer erinnern sich, dass Schäfer sagte, er wolle nicht, dass RTL jemals wieder „mit dem Begriff Trash-TV in Verbindung gebracht“ werde.
Es war nicht überraschend, was Schäfer sagte, sondern dass er von „wir“ sprach, als er von RTL redete. Da es bei den „Sommergesprächen“ vor allem um „Discovery“ ging – ein Projektname, unter dem in den vergangenen Wochen das künftige Verhältnis zwischen RTL und G+J ausgetüftelt wurde –, empfanden das einige Teilnehmer als Fingerzeig.
Drei „Discovery“-Optionen, für deren Erarbeitung auch die gefürchteten Berater von McKinsey ein paar Schweißtropfen vergossen haben, liegen auf dem Tisch: Es bleibt, wie es ist. Oder es gibt eine Zusammenarbeit zwischen Sendergruppe und Verlag, die noch hinausgeht über Cross-Promotion-Events wie etwa „Packen wir’s an! – Gesund leben. Gesund bleiben“, an dem sich im Frühjahr Stern, Brigitte und die RTL-Sender beteiligten. Oder beide Unternehmen werden, auf welche Art auch immer, verzahnt. Eine Entscheidung darüber fällen die Bertelsmann-Gesellschafter im dritten Quartal.
Keine echte Fusion
In manchen Medien war bereits von einer bevorstehenden Fusion von RTL und G+J die Rede. Der Begriff ist umgangssprachlich vielleicht nicht verkehrt. Aber eine Fusion im wortwörtlichen Sinne ist unwahrscheinlich, weil das gesellschaftsrechtlich ein komplexer Prozess wäre angesichts dessen, dass RTL eine Aktiengesellschaft ist und G+J eine GmbH.
Teilnehmer*innen des abschließenden „Sommergesprächs“, das kurz vor Beginn der Hamburger Sommerferien stattfand, haben den Eindruck, dass die Entscheidung längst gefallen ist. Stephan Schäfer und G+J-Finanzchef Oliver Radtke hätten ihre Begeisterung für die am weitesten gehende Lösung zum Ausdruck gebracht, heißt es.
Was bedeutet das für die Mitarbeiter*innen? Als der Spiegel kürzlich Christoph Mohn, den Vorsitzenden des Lenkungsausschusses der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft, darauf ansprach, dass G+J „vermutlich im Herbst von RTL geschluckt“ werde, sagte dieser: „Für jedes unserer Geschäfte gilt grundsätzlich: Es wäre niemandem geholfen, wenn wir eine Art Museumsbetrieb aufbauen würden.“ Falls der Verlag etwas Museales ausstrahlt, hat er sich das selbst zuzuschreiben. Im Juni kündigte G+J an, im Jahr 2021 5 Millionen Euro für eine „Digital-Journalismus-Offensive“ auszugeben. Wer jetzt so eine „Offensive“ ankündigt, gibt damit preis, dass er sehr lange in der Defensive war.
Angst vor Umzug nach Berlin
RTL-Geschäftsführer Henning Tewes sagte der FAZ gerade, G+J habe „seit Jahrzehnten eingeführte starke Marken, die ja vielleicht für ein Streaming- und Fernsehpublikum noch konsequent weiterentwickelt werden können“. Das wirft die Frage auf, was aus den „Marken“ von Gruner + Jahr wird, die sich nicht dafür aufdrängen, „für ein Streaming- und Fernsehpublikum weiterentwickelt“ zu werden. Kommen die, um Mohns Metapher aufzugreifen, „ins Museum“?
Mitarbeiter*innen befürchten, dass ihnen durch die wahrscheinliche Zusammenschraubung von Sendergruppe und Verlag ein Umzug nach Berlin (wo die Hauptstadtredaktion von RTL sitzt) oder nach Köln (ins RTL-Hauptquartier) droht. Oder dass sie gar nicht mehr gebraucht werden.
Zumindest beim Stern herrscht seit vielen Monaten Untergangsstimmung. Am 1. März wurde das Politik- und Wirtschaftsressort des Magazins aufgelöst. Stattdessen gibt es eine gemeinsame Hauptstadtredaktion von Capital, Business Punk und Stern. Eine Maßnahme, die den Ruf des Sterns derart beschädigt, hätte niemand intern für möglich gehalten. Mehrere Redakteure verließen daraufhin das Magazin.
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