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Mehr Geld reicht nicht

Viele Koalitionsversprechen im Bildungsbereich deckt der nächste Haushaltsentwurf nicht ab. Bil­dungs­po­li­ti­ke­r*in­nen schieben das auf die Pandemie. Doch die ist gar nicht schuld

Von Lotta Drügemöller

Der Bremer Bildungshaushalt wächst: Gab es für die beiden Jahre 2020/21 schon insgesamt rund 400 Millionen Euro mehr für Schulen und Kitas, kommen jetzt für 2022/23 noch einmal rund 53 Millionen obendrauf. Was wie eine gute Nachricht klingt, wird vom Personalrat Schulen scharf kritisiert: Wie immer blieben die Ausgaben weit hinter den Erfordernissen zurück. Auch die selbst gesteckten Ziele könne die Landesregierung so nie erreichen.

1.213 Millionen Euro sind für 2022 im Bremer Bildungshaushalt vorgesehen. Es müsse „klar sein, dass es damit im bremischen Schulsystem keinerlei Verbesserungen und Entwicklungen geben wird“, schreibt der Personalrat Schulen in seiner Stellungnahme. „Im Gegenteil.“

Im neuen Jahr steigt die Zahl der Schüler*innen, deshalb braucht es auch mehr Personal – und mehr neue Klassenzimmer. Laut Haushaltsaufstellung müssen 220 neue Leh­re­r*in­nen eingestellt werden. Das neue zusätzliche Geld kann nur diesen Mehrbedarf decken. Der Schul- und Kitaneubau soll zusätzlich durch den Bremen-Fonds finanziert werden.

Versprochen worden war aber sehr viel mehr: Laut Koalitionsvertrag wollen die Regierungsfraktionen unter anderem mehr Sprachförderung, gleich zwei Klassenlehrer*innen für alle Grundschulklassen, sowie eine Sozialarbeiterstelle an allen Bremer Schulen.

Auch wenn der Haushaltsentwurf heute in der Bildungsdeputation besprochen wird: Beschlossen wird er erst von der Bürgerschaft in zwei Sitzungen nach den Sommerferien. Einiges kann sich bis dahin noch ändern. Doch dass viele der bemängelten Punkte am Ende noch erfüllt werden, scheint der Personalrat Schulen gar nicht mehr zu glauben. Er gibt sich eher resigniert und fordert Ehrlichkeit. „Wenn Sie einen Bildungshaushalt verabschieden, der nicht einmal die selbst gesteckten Ziele abdeckt, (…) dann seien Sie bitte so ehrlich und kommunizieren das“, heißt es in der Stellungnahme. Erwartungen an eine qualitative Verbesserung der Schulen dürfe die Politik so nicht formulieren.

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Gönül Bredehorst, sieht das grundsätzliche Problem. „Wir haben uns im Koalitionsvertrag schöne Ziele gesetzt und jetzt ist absehbar, dass sie nicht erreichbar sind.“ Mangelnde Ehrlichkeit will sie sich und vor allem dem Bildungsressort aber nicht vorwerfen lassen. „Claudia Bogedan hat nie etwas versprochen, was sie nicht halten kann.“

So schlecht wie der Personalrat Schulen findet Bredehorst die neuen Planungen nicht: Immerhin werde die sogenannte Zuweisungsrichtlinie Bestand haben. Das heißt: Für zusätzliche Schü­le­r*in­nen gibt es auch zusätzliche Lehrkräfte. „Wir werden genug Lehrer haben. Das war nicht immer so.“ Ebenso wie Christopher Hupe, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, betont sie dazu einen weiteren Erfolg der bisherigen Haushaltsverhandlungen: Zehn neue Lerngruppen soll es geben, für Schü­le­r*in­nen mit Lernschwierigkeiten.

„Qualitative Verbesserung der Schulen darf die Politik so nicht formulieren“

Personalrat Schulen

Hätte man sich also von Anfang an auf diese kleineren Ziele konzentrieren sollen? Bredehorst wehrt ab. Schließlich habe man 2020/21 den Bildungsetat fast verdoppelt und viel erreicht. „Es hätte so weitergehen können, wenn die Pandemie nicht gewesen wäre“, sagt sie. Hupe sieht das ähnlich: „Es war 2019 nicht absehbar, dass wir 2020 ein Haushaltsloch von 300 Millionen Euro haben würden.“

Tatsächlich aber ist das Budget für die nächsten beiden Jahre sogar größer, als noch 2019 geschätzt – der Aussetzung der Schuldenbremse sei dank. Corona hat also mit den nicht erfüllten Koalitionsversprechen erst einmal nichts zu tun.

Miriam Strunge, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, gibt den Klagen des Personalrats weitgehend Recht. „Ich sehe sehr dringenden Handlungsbedarf“ sagt sie – und hofft auf Verbesserungen bis zum Bürgerschaftsbeschluss im Herbst. Einige zusätzliche Stellen könne man auch über den Bremen-Fonds finanzieren, findet sie.

Bredehorst sieht das kritisch: „Die Prognosen für die nächste Haushaltsaufstellung sehen nicht rosig aus“, sagt die SPD-Politikerin. „Wenn wir jetzt Stellen schaffen, aber nach 2023 wieder abschaffen, wäre das für mich fatal.“ Strunge hält dagegen. „Die Probleme sind nach der Pandemie besonders groß. Was 2024 ist, weiß niemand. Man darf nicht im vorauseilenden Sparen jetzt auf Maßnahmen verzichten.“

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