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Diskussion um WahlprogrammBewährungsprobe für die Linke

Die Linke beschließt am Wochenende ihr Wahlprogramm. Im Fokus steht die Partei. Raufen sich die Ge­nos­s:in­nen zusammen oder weiter untereinander?

Zeigen sie den Ausweg aus der Krise? Linken-Parteichefinnen Hennig-Wellsow (l.) und Wissler Foto: Frank May/dpa

Berlin taz | Wenn die 580 Delegierten der Linkspartei sich am Samstag zum Onlineparteitag treffen, haben sie starke Konkurrenz: Am Abend spielt Deutschland gegen Portugal. Das mag mancher Ge­nos­s:in gar nicht so ungelegen kommen, denn an medialer Aufmerksamkeit hat es der Linken in den vergangenen zwei Wochen nicht gefehlt. Erst die Wahlschlappe in Sachsen-Anhalt, dann der Streit im Saarland, wo Oskar Lafontaine zum Wahlboykott der eigenen Partei aufruft. Und schließlich der Antrag auf Parteiausschluss von Sahra Wagenknecht. Alles nicht prickelnd.

Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler, der auch den Wahlkampf managt, weiß, dass es so nicht weitergeht. „Wir müssen mit diesem Parteitag das Signal setzen, dass wir uns nicht mit uns selbst, sondern mit den Anliegen der Wäh­le­r:in­nen und einem konsequenten Politikwechsel beschäftigen“, sagte er der taz im Vorfeld.

Wie sich die Linkspartei einen Politikwechsel vorstellt, beschreibt der Entwurf des Wahlprogramms „Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!“. Neun Stunden nimmt sich die Partei Zeit, über den Entwurf zu diskutieren. Über 1.000 Änderungsanträge sind im Vorfeld eingegangen, die der Vorstand teils schon eingearbeitet hat. Gut 90 werden auf dem Parteitag noch behandelt werden können.

Heiße Debatten wird es wohl zum Punkt Klimagerechtigkeit geben. Die Linke will laut Entwurf ein klimaneutrales Deutschland bis 2035. Verschiedene An­trags­stel­le­r:in­nen wollen hier schärfere Ziele. Die Linksjugend etwa fordert einen CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne. Die Partei lehnt CO2-Bepreisung bislang ab.

Selbstbewusst im Osten

Auch das Thema Außenpolitik steht erneut im Fokus. Neben den üblichen forschen Anträgen für einen sofortigen Austritt Deutschlands aus der Nato und der Auflösung der Bundeswehr, gibt es auch An­trag­stel­le­r:in­nen, die einen mäßigenden Ton anschlagen. Demnach soll die Linke nur noch Bundeswehreinsätze ohne UN-Mandat ablehnen, fordert etwa der Kreisverband Allgäu.

Beide Positionen haben wohl wenig Chancen auf Erfolg, heißt es aus der Partei. Stattdessen arbeite man an einem Konsens, nach dem sich die Linke auf ihr Grundsatzprogramm – Auflösung der Nato, Nein zu allen Kampfeinsätzen – aber auch dezidiert auf das Völkerrecht stütze. Das hieße, dass die Linke künftig auch völkerrichtswidrige Aktionen, wie die Annexion der Krim durch Russland, klar verurteilen müsste.

Angesichts der mauen Wahlergebnisse im Osten will Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow im Verbund mit anderen ostdeutschen Po­li­ti­ke­r:in­nen das Kapitel über Ostdeutschland stärker gewichten und reicht einen komplett umgeschriebenen Vorschlag ein. Das fängt schon bei der Überschrift an: „Selbstbewusster Osten.“

Regieren – ja, nein oder jein

Über das Thema Regierungsbeteiligung kann man sich in der Linken trefflich streiten. Auch auf diesem Parteitag hat die Antikapitalistische Linke wieder einen Antrag vorgelegt, der die Partei auf die Oppositionsrolle festlegt: „Kein Kuhhandel um einzelne politische Forderungen, nur um an einer Regierung beteiligt zu sein.“

Demgegenüber nennt der Berliner Kreisverband Neukölln fünf Bedingungen, unter denen die Linke regieren sollte. Dazu zählen etwa ein bundesweiter Mietendeckel, ein Mindestlohn von 13 Euro und Abrüstung statt Aufrüstung. Interessant ist die Formulierung: „Wir sind kompromissbereit bei der Länge des Schrittes, aber die Richtung muss stimmen.“

Für die in Umfragen schwächelnde Partei geht es nun vor allem darum, im Bundestag zu bleiben – und damit im Spiel. Das hat sie mit der deutschen Nationalmanschaft gemein.

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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wahlprogramm hin oder her - das Zugpferd fehlt.



    Wer liest schon das Wahlprogramm? Die eigenen Mitglieder, ein paar Interessierte.



    Wahl ist auch Show.

  • Die internen Querelen verstellen den Blick aufs Wesentliche: Die Linke braucht über-



    zeugende SympathieträgerInnen an der Spitze, die nicht nur fachlich, sondern auch rhetorisch so fit sind, wie S.Wagenknecht und G.Gysi .Die PR ist unterirdisch schlecht. Die



    Union mit ihrer eingebauten Korruptionsgarantie, SPD/Seeheimer Kreis als 5te Kolonne



    des Grosskapitals, B90/Die Grünen die ihre Grundwerte schon lange verraten haben, bieten hervorragende Angriffsflächen, ebenso der offene Faschismus der AfD. Von der traditionellen Umfallerpartei FDP ganz zu schweigen. Die Linke hat ein Programm, das ein beachtlich breites Publikum ansprechen könnte, wenn es das denn kennen würde. Schlechte PR in Verbindung mit hilfloser Führung geht nicht gut, und streiten tut man besser mit den politischen Gegnern als innerhalb der Partei - zumindest öffentlich.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Gandalf der Graue:

      ....auch rhetorisch so fit sind, wie S.Wagenknecht und G.Gysi

      Genau das meine ich!



      Zum Glück machen andere Parteien den gleichen Fehler.

      Dem arrogant-wirkende Olaf von der SPD ist nicht zu trauen, er leidet ja auch schon unter Gedächtnisverlust! Die beiden SPD-Vorsitzenden locken keine neuen Wähler hinterm Ofen hervor - erinnert an die beiden Rentner in der Muppet-Show. Laschet - Nomen est omen.



      Baerbock - ja sie trifft die Stimmung der Zeit (weil endlich alles anders werden muss), Lindner - eine Verzweiflungstat ihn zu wählen. Das Motto seit Jahrzehnten "Steuern runter". Wie beim Fußball - wir wollen gewinnen - tausend Varianten.

  • Erst hat die Linkspartei ihre Oststammwähler an die AfD verloren, da eine Partei, die internationale Solidarität fordert, beim Flüchtlingsthema im Osten so (die Internationale singend) nicht punkten kann. Wagenknecht hat dann versucht, die zur AfD abgewanderten Wähler mit kernigen Slogans zurückzugewinnen, was nicht gelungen ist, wieso auch, dann doch lieber das AfD Original. Blöd nur, dass Wagenknecht so auch die „Refugees Welcome“ Linken vergrault hat. Zum Schluss vergrault Wagenknecht nun noch die urbanen Lifestyle Linken, um ihr Buch zu verkaufen. Glückwunsch, Wagenknecht hat es geschafft, die Linke unter die 5 % Hürde zu navigieren!

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Felix Meran:

      Wenn allen tatsächlich eine einzige Person ausreicht, um eine Partei bundesweit unter die 5%-Hürde zu drücken, dann läßt sich daraus nur schlußfolgern, daß abgesehen von dieser einen Person die Partei weder inhaltlich, noch personell ein attraktives Angebot zu machen hat. Und um eine solche Partei ist es dann auch nicht schade.

      • @14390 (Profil gelöscht):

        "Wenn allen tatsächlich eine einzige Person ausreicht, um eine Partei bundesweit unter die 5%-Hürde zu drücken, dann läßt sich daraus nur schlußfolgern, daß abgesehen von dieser einen Person die Partei weder inhaltlich, noch personell ein attraktives Angebot zu machen hat."



        Das muss nicht so sein. Der Umgang einer Partei mit solch speziellen Einzelpersonen zeigt sehr klar wo aus Sicht dieser Partei die roten Linien und die Grenzen des Tragbaren verlaufen. Hätte sich beispielsweise die SPD nicht konsequent gegen die rassistischen Ergüsse Sarrazins zur Wehr gesetzt würde man ihr zu Recht ankreiden derartige Positionen zu dulden. Andere Parteien haben eben ihren Maaßen, Palmer oder ihre Wagenknecht. Es ist also nicht so, dass die Debatten um solche Parteigenoss*innen wichtiger wäre als die Programmatik, aber er muss mit dieser eben kohärent sein, weil letztere sonst unglaubwürdig wird.

      • @14390 (Profil gelöscht):

        Na ja, eine fehlerhafte Prüfung kann ein Unternehmen beenden (siehe Arthur Andersen: en.wikipedia.org/wiki/Arthur_Andersen). Ein inkompetenter Wirtschaftsprüfer oder Geschäftsführer reicht aus, um ein Unternehmen gegen die Wand zu fahren. Wieso sollte das in einer Partei anders sein? Außerdem hoffe ich mittlerweile auch, dass aus der Asche der Linkspartei etwas Besseres herauskommt. Ohne Wagenknecht und Konsorten versteht sich ...