Kein Präsenzunterricht bis zum Sommer: Die Ferien sind die Ziellinie
Die Berliner Schulen bleiben im Wechselunterricht, trotz sinkender Inzidenzwerte und Lockerungen in anderen Bereichen. Die Schulen begrüßen das.
Dieser Entschluss sei vor allem „getragen vom frühen Ferienbeginn in Berlin“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der als Senatsvertreter nach der Sitzung vor die Presse getreten war. Dabei sei es der Koalition durchaus bewusst, dass in anderen Bundesländern bereits wieder früher Präsenzunterricht möglich gemacht werde. Aber in Berlin seien jetzt nur noch wenige Wochen zu überbrücken: „Sonst wäre das anders.“ Scheeres, teilte er mit, hoffe auf Präsenzunterricht nach den Sommerferien.
Ganz einmütig dürfte die Diskussion zwischen den Koalitionspartnern hinter den Kulissen allerdings nicht gelaufen sein: Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek hatte der Berliner Morgenpost gesagt, „im Sinne der Verhältnismäßigkeit“ sollten „in der nächsten Lockerungsrunde“ die Schulen wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren dürfen. Nächste Lockerungen wären Kollatz zufolge am 4. Juni möglich – was genau, darüber wolle der Senat am 1. Juni beraten. Kapeks Co-Chefin Silke Gebel twitterte am Dienstag vielsagend, dass in Österreich nun wieder „Regelbetrieb“ in den Schulen herrsche, mit Maske und drei Tests pro Woche: „Sehr cool!“
Inzidenz bei Jugendlichen höher
Schulleiterverbände und die Gewerkschaft GEW hingegen begrüßten die Entscheidung, die Schulen nicht weiter zu öffnen: „Das bringt jetzt Verlässlichkeit bis zum Sommer“, sagte der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann. Zwar habe man bisher immer einen „Normalbetrieb ab einer Inzidenz von unter 50“ gefordert. Berlin lag aktuell am Dienstag bei einer Inzidenz von 63,3. Allerdings sei der Wert gerade bei Kindern und Jugendlichen deutlich höher. Tatsächlich liegt er laut Corona-Lagebericht der Gesundheitsverwaltung bei den 10-14-Jährigen bei 117,2.
Ralf Treptow, Schulleiter am Rosa-Luxemburg-Gymnasium und Vorsitzender der Vereinigung der Berliner Oberstudiendirektoren, sagte der taz: „Die Entscheidung ist richtig.“ Bis zu den Sommerferien, die in Berlin Ende Juni beginnen, müsse man nun nicht nochmal Konzepte ändern, die sich eingespielt hätten. Zudem ließen sich Öffnungsschritte in anderen Bereichen nicht einfach auf die Schulen übertragen: „Veranstaltungen und Gastronomie im Freien mit tagesaktuellem Schnelltest sind etwas anderes, als wenn ich als Lehrkraft vor einer Klasse mit 32 Jugendlichen stünde, die nur zweimal pro Woche getestet werden.“
Zumal noch längst nicht alle Lehrkräfte geimpft seien, wie Treptow betont: In seinem Kollegium habe nur ein kleiner Teil überhaupt die erste Impfung erhalten. Die LehrerInnen an weiterführenden Schulen gehören zur Prioritätsgruppe 3, die sich seit Anfang Mai um Impftermine bemühen kann. Allerdings sind die Impfzentren langfristig ausgebucht, die meisten Hausarztpraxen überlastet oder es mangelt an Impfstoff.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin warnte am Dienstag indes mit Blick auf „Langzeitfolgen“ durch Schulschließungen die Öffnung vom Impffortschritt abhängig zu machen. Astrid-Sabine Busse, Grundschulleiterin in Neukölln, hatte der taz gesagt, an ihrer Schule hätten in den letzten Wochen bis zu 50 von 300 Kindern nicht mehr regelmäßig die Schule besucht. Die Präsenzpflicht ist in Berlin derzeit ausgesetzt und soll es auch bleiben, wie ein Sprecher von Scheeres auf taz-Anfrage bestätigt. Doch auch Busse, die außerdem Vorsitzende des Interessenverbands der Berliner Schulleitungen ist, sagt: „Die Wochen bis zu den Ferien halten wir noch durch, wenn wir dann mit mehr Sichrheit in Präsenz ins neue Schuljahr starten können.“
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