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AfD-Berlin LandesparteitagKonsensliste ohne Inhalte

Von Protesten begleitet tagt die Berliner AfD auf einer Wiese. Die Delegierten bestätigten den Versöhnungskurs mit dem rechtsextremen „Flügel“.

So menschenfreundlich wie das AfD-Parteiprogramm: Zaun am Parteitagsgelände Foto: Imago Images

„Nehmt den Nazis das Zirkuszelt, hinter der AfD steht das Geld!“ skandieren die knapp einhundert Antifaschist:innen, die am Samstagmorgen gegen den Landesparteitag der Berliner AfD demonstrieren, der an diesem Wochenende in einem Festzelt auf einer Wiese in Biesdorf im Bezirk Marzahn-Hellersdorf stattfindet.

Als sich ein Delegierter in einer schwarzen Limousine nähert, drängen die Ak­ti­vis­t:in­nen auf die Fahrbahn, werden aber kurz darauf von der Polizei ohne viel Widerstand wieder zurückgedrängt. Im Laufe des Morgens wiederholen sich diese Szenen etliche Male, bis schließlich alle der insgesamt 246 AfD-Delegierten von der Polizei zum weiträumig abgesperrten Parteitagsgelände eskortiert wurden.

Das Wochenende war das erste von zwei aufeinanderfolgenden, an dem die Berliner AfD ihre Kan­di­da­t:in­nen für die kommenden Wahlen im September aufstellen will. Den Anfang machte die Vergabe der Listenplätze für die Abgeordnetenhauswahl.

Obwohl der Berliner Landesverband für seine innerparteiliche Zerissenheit bekannt ist, lief die Wahl der Listenplätze ohne größere Überraschungen ab. Als Spitzenkandidatin wurde die Landesvorsitzende Kristin Brinker gewählt. Auf ihr folgten Ronald Gläser, Karsten Woldeit und Harald Laatsch.

Brinker sicherte sich erst im März den Parteivorsitz, indem sie in einer Allianz mit ehemaligen Mitgliedern des rechtsextremen „Flügels“ die bisherige Doppelspitze aus dem vielen als zu moderat geltenden Georg Pazderski und Beatrix von Storch ablöste. Obwohl damals Brinker die Stichwahl gegen von Storch nur knapp gewonnen hatte, versprach sie, die innerparteilichen Gräben zu schließen – indem der formal aufgelöste „Flügel“ ausdrücklich mit eingebunden wird.

Parteitag Teil 2

Was? An den ersten beiden Juniwochenenden (5. 6. bis 6. 6. & 12. 6. bis 13. 6.) hält die AfD ihren Parteitag ab. Nächste Woche werden die Listenplätze für die Bundestagswahl vergeben. Gegenproteste für beide Tage sind bereits angekündigt. Infos zum Programm gibt es unter www.keinraumderafd.blogsport.eu

Wo? Nach jahrelanger vergeblicher Raumsuche hat die Partei eine Brachfläche an der Hal­toner Straße in der Nähe des Elsta­werdaer Platzes in Marzahn-Hellersdorf gefunden. Vermietet wird sie ausgerechnet vom Land Berlin.

So wurde bereits im Vorfeld in Absprache mit allen Parteiströmungen eine „Konsensliste“ erstellt, deren Empfehlungen die Delegierten zumindest in den Spitzenplätzen mehrheitlich folgten. Der aktuelle Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, verzichtete auf eine Kandidatur, da ihm Medienberichten zufolge eine Aussicht auf ein Bundestagsmandat angeboten wurde.

Der erst im Februar aufgrund seiner zahlreichen Verbindungen in die rechtsextreme Szene aus der Partei ausgeschlossene Andreas Wild bewarb sich überraschend für den vierten Listenplatz, wurde aber abgelehnt. Mit dabei auf Listenplatz 21 ist hingegen der ebenfalls durch seine rechtsextremen Verbindungen bekannte Gunnar Lindemann.

Etwas Drama gab es dann noch bei der Wahl des fünften Listenplatzes, als es entgegen der Vorschlagsliste zu einer Stichwahl zwischen dem amtierenden Schatzmeister Frank-Christian Hansel und Alexander Sell kam, die Hansel knapp gewann. Hansel gilt aufgrund seiner Nähe zu Pazderskis Lager als Gegner Brinkers.

Ebenfalls überraschend verlor Christian Buchholz nach einer Kampfabstimmung den neunten Listenplatz an den Tempelhof-Schöneberger Richter Antonin Brousek.

Inhaltliche Fragen wurden hingegen nicht diskutiert. Lediglich bei den Vorstellungsreden der Kan­di­da­t:in­nen kam der rassistisch-neoliberale Markenkern der AfD immer wieder zum Vorschein. So forderte Parteisprecher Ronald Gläser, der auf den zweiten Listenplatz gewählt wurde, man solle doch statt eines „roten Mietendeckels“ einen „blauen Flüchtlingsdeckel“ einführen. Ganz offensichtlich versucht Gläser, Mi­gran­t*in­nen für die hohen Mietpreise in Berlin verantwortlich zu machen.

Über den Tag verteilt versammelten sich mehrere Hundert Ak­ti­vis­t:in­nen bei den Gegenprotesten. Dass es nicht mehr geworden sind, lag sicherlich auch an den zahlreichen weiteren politischen Veranstaltungen, die an diesem Wochenende in Berlin stattfanden.

Um den Delegierten auch innerhalb des Zelts das Leben zu erschweren, wurde auf der Kundgebung lauter Punk gespielt: „Wir finden die AfD richtig kacke“, so die Sängerin einer Band, „deswegen spielen wir besonders schlecht.“ Die Taktik schien zu funktionieren, immer wieder beschwerten sich AfD-Delegierte bei der Polizei, dass die Lautstärke zu hoch sei.

Zu den Gegenprotesten aufgerufen hatte ein breites Bündnis linker Gruppierungen, darunter die Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes (VVN-BDA), die Initiative Kein Raum der AfD und das Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf.

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