piwik no script img

Moscheebau in Gelsenkirchen blockiertBaurecht gegen Islam-Zentrum

Ein Moscheeverein will ein leerstehendes Gebäude nutzen, um Imame auszubilden. Politik und Verwaltung scheinen den Plan verhindern zu wollen.

Hier soll das Schulungszentrum für Imame entstehen Foto: Michael Voregger

„Von dem Vorhaben, eine islamische Bildungseinrichtung in der Feldmark aufzubauen, höre ich zum ersten Mal“, sagt Jürgen Karczewski, der mit seiner Familie in dem Stadtteil im Südwesten Gelsenkirchens lebt und sich im Bürgernetzwerk „Runder Tisch“ engagiert. Karczewski ist ein sportlicher Typ und hat sich lange um die Jungendarbeit beim Fußballverein Adler Feldmark gekümmert.

„Dass wir von dem Eigentümer und den Plänen nichts wissen, überrascht mich nicht. Das gibt es bei Politik und Verwaltung in Gelsenkirchen öfter. Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht, als wir einen Kunstrasenplatz für den Verein bauen wollten“, sagt er. Nach eigenem Verständnis hat sich die SPD, die in Gelsenkirchen regiert, von der Politik der Hinterzimmer verabschiedet.

Ende April bekamen Bür­ge­r:in­nen in der Feldmark eine Einladung der Stadtverwaltung, sich bei einem Beteiligungsverfahren einzubringen. Auf dem Gelände des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Küppersbusch sollen Wohnungen und Reihenhäuser entstehen. Ein normales Verfahren im Baurecht, was bei genauer Betrachtung viele Fragen aufwirft: Denn der Eigentümer des Geländes ist heute der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ). Und der hat kein Interesse daran, hier Reihenhäuser zu errichten.

In Gelsenkirchen ist der VIKZ an vier Standorten mit Moscheen und Bildungseinrichtungen aktiv. Mit Unterstützung der Zentrale in Köln wurde 2015 das seit Jahren leerstehende Gebäude in der Feldmark gekauft. Mit einer Veränderungssperre hat die Stadtverwaltung 2017 dem Eigentümer die „Errichtung einer internatsähnlichen Bildungseinrichtung“ verboten. „Kirchliche und kulturelle Zwecke“ sind hier untersagt. Eine öffentliche Diskussion über die Nutzung hat nie stattgefunden.

Die Stadt schweigt

Die Feldmark ist ein Stadtteil, den Stadtplaner als „gutbürgerlich“ bezeichnen. Der Anteil Zugewanderter liegt unter dem städtischen Durchschnitt, es gibt viele Eigenheime und kaum „Schrottimmobilien“. Bei den Kommunalwahlen im September letzten Jahres hatte die SPD hier ein gar paar Prozentpunkte mehr als im Rest der Stadt.

Im Jahr 2019 wurde die Sperre für zwei Jahre verlängert und in diesem Jahr erfolgte die zweite Verlängerung. Nach dem Baurecht muss jetzt mit der Entwicklung eines Bebauungsplans begonnen werden. So kommt es zu einem öffentlichen Beteiligungsverfahren, bei dem die Bür­ge­r:in­nen ihre Vorschläge einreichen sollen.

„Wir sind überrascht, dass die Stadtverwaltung Gelsenkirchen jetzt ein solches Verfahren für die Bebauung des Grundstücks an der Küppersbuschstraße durchführt“, kritisiert Erol Pürlü, Pressesprecher der VIKZ-Zentrale in Köln. „Wir sind der Eigentümer des Gebäudes und an unseren Plänen hat sich nichts geändert. Wir haben immer mit der Stadtführung gesprochen und auf eine Lösung gehofft.“ Also: ein Verfahren ohne Grundlage.

Die erste Phase der Bürgerbeteiligung ist abgeschlossen. Wie viele Vorschläge es gab, wird von der Verwaltung nicht verraten. Die zweite Phase ist für Anfang des kommenden Jahres geplant.

„Stadt und Politik wollen kein muslimisches Schulungszentrum an diesem Ort. Die Ausein­andersetzung über das Bauplanungsrecht anzugehen, ist der falsche Weg“, sagt Architekt Albert Ude, der lange für die SPD im Stadtrat saß. „Nicht der Planungsapparat einer Kommune kann oder darf das auf diese Art lösen. Es handelt sich hier um einen klassischen Fall von politischer Arbeitsverweigerung.“

Die Stadt Gelsenkirchen hat auf Fragen der taz bisher nicht geantwortet. Dass sich Verwaltung und Politik in Gelsenkirchen mit Transparenz schwertun, zeigt auch ein Vorgang vom März dieses Jahres. Im Stadtrat wurde die Einführung der „Rats-TV“ genannten Übertragung der Sitzungen ins Internet von einer Mehrheit abgelehnt.

Auf seiner Internetseite bekennt sich der VIKZ zur „freiheitlich-demokratischen Grund­ordnung Deutschlands“. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt es nicht und die Forderung danach aus den Reihen der CDU liegt mehr als 10 Jahre zurück. „Der Verein wartet seit vielen Jahren auf eine Lösung. Das ist ihm vom ehemaligen Oberbürgermeister Frank Baranowski und von der Nachfolgerin Karin Welge zugesagt worden, passiert ist bisher nichts“, kritisiert Ali Akyol, Mitglied des Stadtrats und Fraktionsgeschäftsführer von WIN. „Dabei spricht die Politik immer davon, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden sollen und das unabhängig von der türkischen Regierung.“

Begonnen hat die Geschichte vor vielen Jahren im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck. Hier hat der VIKZ im Schatten der ehemaligen Zeche „Consolidation“ seine Heimat. Den Bau einer islamischen Bildungseinrichtung hat die Stadt hier bislang mit dem Hinweis auf Einschränkungen im Gewerbegebiet verhindert. Gut möglich, dass es hier jetzt zu einer Einigung kommt. Bismarck ist geprägt von einer großen, türkischstämmigen Community, und eine islamische Einrichtung würde an dieser Stelle, keine Diskussionen auslösen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Baurecht gegen Islam-Zentrum

    Da die Gemeinde über die Planungshoheit verfügt, stehen ihr die gesetzlich zustehenden Plansicherungsinstrumente zur Verfügung. Stadtplanung ist nun mal politisch. Insofern sind die Äußerungen des ehemaligen. Stadtrates nicht nachvollziehbar. Andererseits muss die Gemeinde sicherstellen, dass die beabsichtigte Nutzung im Gemeindegebiet an einem anderen Standort rechtlich möglich ist.