ausgehoben: Ufo mit Anfassen
Es ist ja nicht so, als wären nicht reichlich Worte darüber verloren worden: Die Innenstädte veröden, der Einzelhandel, wie wir ihn kannten, ist am Ende – was begonnen hat lange vor dieser Seuche und noch nicht mal nur an Amazon liegt. Umso unbeirrter wirkt, was seit ungefähr drei Jahren in der Hafencity heranreift, im südlichen Überseequartier: Hamburgs bisher größtes geplantes Einkaufszentrum, wenn nicht gleich „Norddeutschlands größtes Shopping-Areal“.
Rund eine Milliarde Euro will der Unibail-Rodamco-Konzern dort investieren. Neben Büros und etwas (ja zunehmend schnell Rendite versprechendem) Wohnraum, Hotellerie und einem Multiplex-Kino soll dort eben auch Einzelhandel entstehen, von 80.000 Quadratmetern Fläche ist die Rede. Lange wurde das Projekt gelabelt als Ergänzung zu den etablierteren, aber eben auch kriselnden Einkaufsstraßen.
Ob das neue Ding nicht vielmehr eine Konkurrenz werde zu Spitalerstraße und Gänsemarkt, ob in die Stadt strömende Besucher_innen sich nicht zwischen Innenstadt und Hafencity entscheiden werden, statt beides als Teil desselben wahrzunehmen: Diese Diskussionen gab es lange vor dem tiefgreifenden Einschnitt ins Öffentliche, den Corona bewirkt hat.
Dieser Schnitt aber dürfte bleiben, es gibt glaubhafte Stimmen, die vorhersagen: Corona verlässt uns so bald nicht wieder. Und was ist, ausgerechnet, die jüngste Erfolgsmeldung aus dem Überseequartier? Nicht nur hat ein Kinobetreiber sich gewinnen lassen, dort zehn Säle einzurichten; keine Selbstverständlichkeit, die Kinos haben in den vergangenen 15 Monaten mindestens so sehr Federn gelassen wie der Einzelhandel. Ob die Planung aber auch nachhaltig ist? Anderswo in der Stadt sind Multiplexe gekommen und auch wieder gegangen, zum Beispiel für noch etwas mehr Einzelhandel.
Neben dem Kino aber wird auch ein „Legoland“ einziehen in das Shopping-Ufo: ein Indoor-Spielplatz mit Millionen von Plastiksteinen. Und das passt nun so gar nicht in die pandemiegeprägte Landschaft. Gibt es von der dänischen Spielwarenmarke eigentlich schon eine Coronatestrespektive Impfstation (48 Teile, nicht geeignet für Kinder unter 3 Jahren)?
Alexander Diehl
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