piwik no script img

Vom Feld in die Kiste

In der Pandemie freuen sich KundInnen, wenn sie den Gang zum überfüllten Supermarkt vermeiden können. Lebensmittelkisten direkt vom Erzeuger sind da eine begehrte Alternative. Auch das Gut Wulksfelde in der Nähe von Hamburg liefert Biokisten direkt nach Hause – regional und ökologisch

Kommen per Lieferdienst in den Salat: Radieschen vom Gut Wulksfelde Foto: Sven Schomburg

Von Moritz Klindworth

Blumenkohl, Frühmöhren, Porree, Salat, eine Salatgurke, eine Avocado und Strauchtomaten liegen in der Gemüsekiste, die schon bald den Hof verlassen wird. Per hofeigenem Lieferdienst gehen die Kisten vom Gut Wulksfelde direkt an KundInnen in und um Hamburg. Damit trifft der Biohof gerade in der Coronapandemie einen Nerv. Dass man sich die Kassenschlange im überfüllten Supermarkt mit solchen Lieferdiensten sparen kann, ist für viele Menschen attraktiv.

Das Gut Wulksfelde liegt in Tangstedt knapp hinter der Grenze zu Schleswig-Holstein, 40 Minuten mit dem Auto entfernt von der Hamburger Innenstadt. Wer auf den Hof kommt, bekommt von dem 450 Hektar großen Areal – umgerechnet sind das rund 630 Fußballfelder – meist nur das Café und den Hofladen zu sehen. Etwas entfernt stehen aber Gewächshäuser, Ställe und sogar ein kleiner Tiergarten mit Meerschweinchen und Hühnern.

Ein gepflasterter Weg führt zur Gutsklasse, einem weißen Haus, das für Konferenzen genutzt wird. Davor stehen André Houillon und Adrian Paffrath. Houillon leitet seit vier Jahren den Lieferservice. Paffrath kümmert sich um das Marketing.

Drinnen angekommen in der dunkel eingerichteten Küche, in der neben dem Fenster ein heller Holztisch und zwei Bänke stehen, beginnen die beiden von dem Hof zu erzählen: Sie betreiben dort Ackerbau, den Gemüseanbau und halten Schweine; seit 1989 ist dort alles ökologisch. „Obst und Gemüse stehen im Vordergrund“, sagt Houillon. Das, was sie ernten, landet in den Biokisten: Gemüse und Obst, aber auch Trockenprodukte wie Mehl, Nudeln oder Hefe.

„Saisonal und durch die kalten Temperaturen haben wir demnächst Erdbeeren und Rhabarber im Angebot“, sagt Paffrath. „Für unentschlossene Kunden gibt es fertig zusammengestellte Sortimentkisten in klein, mittel und groß.“ Vieles werde in der Gärtnerei angepflanzt, sagt Paffrath.

Weitere Kisten im Sortiment sind die Mixkiste, die Obstkiste und die regionale Kiste. „Kunden können sich ihre Kisten auch nach Bedarf zusammenstellen“, sagt Paffrath. Im Angebot haben sie auch Milch. Einen Kuhstall findet man auf dem Gelände aber nicht. „Milch und Obst, das in Deutschland nicht wächst, beziehen wir von anderen Händlern“, erklärt Houillon.

3.600 Kisten pro Woche

Die Preise für eine Sortimentkiste liegen bei 14 bis 28 Euro. „Wir sind preiswertig und gehen nicht mit Kampfpreisen mit“, sagt Houillon. „Wir haben uns keine goldene Nase verdient“, sagt er. Ein Sommer mit zu viel Sonne oder Regen – wie 2018 – bedeute gleich weniger Ertrag auf den Feldern. „Daher sind wir froh, wenn der Lieferdienst viel verkauft und das Gesamtkonstrukt trägt.“

Das war seit Beginn der Pandemie mehr und mehr der Fall: „Die Pandemie ist ein richtiger Boost“, sagt Houillon, angesprochen auf den Umsatz. Die Leute ließen gerade sich gern beliefern und hätten speziell im ersten Lockdown auch Nudeln, Mehl und Hefe gehamstert.

„Frei zu bestellen, ohne ein Abo abzuschließen, schätzen die Kunden“, sagt Paffrath. Zudem äßen die Leute bewusster und gingen seltener in die Kantine, da sie verstärkt im Homeoffice arbeiteten.

Auch auf die Zeit nach ­Corona blicken sie optimistisch: Im Sommer sinke zwar meist die Nachfrage, da die Menschen in den Urlaub fahren. „Auf das Niveau von vor Corona im März 2020 fallen wir aber nicht zurück wegen des Trends zur Unterstützung regionaler und kleiner Betriebe“, glaubt Houillon. „Wenn die Nachfrage nach dem Sommer auf diesem Niveau bleibt, sind wir ein Coronagewinner.“

Derzeit hat der Hof einen Kundenstamm von 4.000 bis 4.500 Menschen. Sie liefern 3.600 Kisten wöchentlich aus. Der Hof beliefert das gesamte Hamburger Stadtgebiet und das Umland. Die äußersten Grenzen des Liefergebietes sind Bad Segeberg, Pinneberg und Kaltenkirchen im Norden sowie Reinbek, Harburg und Buxtehude im Süden. „Wir liefern die Kisten über die ökologische Tourenplanung aus, um die Distanz von Kunde zu Kunde gering zu halten“, sagt Houillon. Ein Stadtteil wird an einem Wochentag angefahren.

Der Biohof verpflichtet sich zudem zur Kreislaufwirtschaft. „Das Getreide wird in der Bäckerei zu Brot verarbeitet. Die nicht verkauften Brotreste werden an die Tiere verfüttert und mit der Gülle, die die Tiere produzieren, werden die Felder gedüngt“, erklärt Houillon.

„Bio bedeutet für mich im Einklang mit der Natur“, sagt er. Ebenso verstehen sie hier auch den Lieferdienst. Möglichst wenig belastend für die Umwelt – und direkt aus der landwirtschaftlichen Produktion zu den KundInnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen