piwik no script img

Die WahrheitModellurlaub in der Modellregion

Föhrien auf Föhr: Alle leihen sich Föhrräder aus und man rennt alle Nase lang zum Coronatest. Und wo ist Andi Scheuer, wenn man ihn mal braucht?

M ein Modellurlaub in der Modellregion begann schon in Hamburg im Bahnabteil, aus dem ich vergrault werden sollte. „Ich habe extra erste Klasse gebucht, damit meine Tochter und ich mehr Platz haben“, zickte mich eine Dame an, die nach Sylt reisen wollte. Ich hatte nur aus Versehen erste Klasse gebucht, aber das verriet ich ihr nicht, sondern lieber, dass ich frisch getestet und halb geimpft sei und deshalb zu Recht den dritten Platz im Sechserabteil einnehmen könnte. „Weiter vorn sind Abteile mit nur einem drin“, lockte sie, „aber Sie wollen wohl sitzen bleiben?“

Vor allem wollte ich nach Föhr, was mir nach stundenlanger Fahrt und einem mehrtägigen Aufenthalt auf dem Verschiebebahnhof Niebüll überraschenderweise doch noch gelang. Wo ist Andi Scheuer, wenn man ihn mal braucht? In der CSU glauben sie ja, dass Streckenmodernisierung in Schleswig-Holstein nicht erforderlich sei, weil Hamburg praktisch schon an der Nordsee liegt.

Dann ging es in Dagebüll auf die Föhre, um Föhrien zu machen, weil man total föhrliebt in die Insel ist. Genau mein Humor. Alle leihen sich Föhrräder aus, nachdem in der Pandemie auch der letzte Depp radeln gelernt hat. Dann klingeln sie einen modellhaft aus dem Weg, während man alle Nase lang zum Coronatest rennt. Es ist herrlich! Am Strand pfeift eine Frau alle dreißig Sekunden nach ihrem Hund, damit er sich flach ins kalte Wasser legt. Warum macht sie es ihm nicht vor? Ich würde inzwischen die Pfeife übernehmen.

Endlich habe ich meine Grundrechte zurück!

Mein persönlicher Modellversuch besteht übrigens darin, dass der Liebste ausnahmsweise erst nachkommt. Er muss arbeiten, das ist so 2019. Ich dagegen kann jetzt alles rumliegen lassen, die Spülmaschine in der Ferienwohnung falsch einräumen und Heißgetränke ohne Stoppuhr zubereiten. Endlich habe ich meine Grundrechte zurück! Später stolpere ich dann über Bücher auf dem Fußboden und sinniere bei bitterem Tee darüber, warum so wenig Geschirr in die Maschine passt und wer mir eigentlich morgens die Brötchen holen könnte.

Und wer sich nun um die Technik kümmern soll. Die stylishe Uhr im Schlafzimmer erregt plötzlich meinen Argwohn. „Alexa? Ich glaub’s ja nicht!“, rufe ich. „Entschuldigung, ich bin mir nicht sicher“, säuselt der Apparat zurück. Soll ich ihr verraten, dass ich seit Jahren keine Amazonkundin mehr bin? Hüpft sie dann nachts in mein Bett und pflanzt mir einen Chip ein?

Das würde vielleicht den Umgang mit der Luca-App erleichtern, die sich weigert, mit dem offenen Gäste-WLAN zusammenzuarbeiten. Datenschutz! Statt ein gutes Buch aus der Tasche zu ziehen, fummle ich deshalb im Café ewig mit meinem Handy rum wie ein Depp, der ewig mit seinem Handy rumfummelt. Mein Lieblingskuchen heißt dann auch noch „Jungfrauenbrüstchen“. Wo sind die beleidigten Feministinnen, wenn man sie mal braucht? Mit Andi Scheuer im Modellurlaub, Bubenspitzle essen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Falls das noch nicht gesagt sein sollte -



    Netter Föhristen - Plausch...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Ob`s AmRum lag, dass wir föhrsehentlich ganz woänners angelandet wurden.



    www.youtube.com/watch?v=nbWt1f13Ia4

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Liggers. Föhrer Rum - de brüng dich um.



      & Däh - Sniggenwooder =>



      “Föhrer Teerum 38%vol.“ - Prost -



      www.foehrerteekont...teerum-40-vol.html

      kurz - Rein tonn verföhren!

      • @Lowandorder:

        Un wo wir ja anne Küste & zwischen denn Meeren sün:

        “Der Föhrer war ein armes Schwein.



        Er hatte keinen Föhrerschein!“ - 😱 -



        Weiß Bescheid! Wernersen läßt’s Bröseln - Föhrwech.

        kurz - “Zwei Föhren machten knick & machten knack.



        Das reicht föhr einen Tag.“



        Normal - Föhrwahr •

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Ach Föhrer, seht es endlich ein!



          Wer möchte heut noch "Föhrer" sein?



          Nennt eure Insel einfach um.



          Wie wäre es denn mit Amrum,



          Oder besser Amrum zwei?



          Dann gibt es nicht mehr dies Geschrei



          von "Föhrer" oder Föhrerinnen.

          Von Syltern oder Sylterinnen



          haltet Euch fern. Zu allen Stunden



          denken die nur an`s Geld der Kunden.



          Ihr ganzes Sinnen und ihr Trachten:



          Sylt sei das Ziel von schicken Yachten.



          Die Insel ist seit Jahren schon



          des Geldadels Modellregion.

        • @Lowandorder:

          Ich ahnte es. Dieser Wahrheit-Text ist verhext. Er lässt einen so föhrig werden. Letzte Nacht im Traum sah ich, wie ein weites nebeliges Land am Horizont mit Wasser und Himmel ineinander ging. Und dann, als es aufklarte, eine Sandbank im Watt. Dort, an einem treibholzroh gezimmerten Tisch, saßen der Söder Markus, der Seehofer Horst und der Stoiber Edmund und verschlangen Bubenspitzle von blau-weißen Steinguttellern. Ein gewisser Andy füllte schäumend Maßkrüge auf und die ganze Gesellschaft sang – roh und ungeschlacht – „Föhr ever young“. Von weit, weit her drang ein Schreckensruf zu mir, vom Klempnermeister Röhrich: Eckehard, die Bajuwaren kommen...

          • @Moon:

            Liggers. “Da kann nich ein dscheden bei & mit um“ => Meister Röhrig & der Schlammlöhrer föhrig! - 🙀 -



            werner beinhart rohrbruch but gehörig!



            m.youtube.com/watch?v=UBbN_OwTM34

            Na Mahlzeit - aber föhrig! - 🥳 -

  • Endlich mal weg von diesen, ewigen Thüringer Bratwürsten und Rostbrätel hin zu



    CASSATELLE DI SANT’AGATA Minni di Sant’Agata



    www.youtube.com/watch?v=kM7kNoyf3EI



    Wo sie die Kirsche aufsetzt- schön! So viel Gefühl!



    weiter zu



    Bubenspitzle



    www.youtube.com/watch?v=QJOlKIer8bQ



    ..vorne und hinten spitz, nicht zu groß, halt ä Bubenbspitzle..



    Dem Dialekt kann ich immer zu hören.



    Alles lecker sprach der Indianerhäuptling!

    • @Ringelnatz1:

      Uff, eingestehen muss ich, meine Kenntnisse in Bezug auf regionale und internationale Mehlspeisen sind begrenzt. Bubenspitzle – es gibt sie wirklich. Was dann allerdings den Genuss der oben servierten Satire beim gerne noch mal lesen erheblich steigert. Also wirklich, dem Andy Scheuer auf Föhr Bubenspätzle servieren. Wunderbar gemein. Bei mir reicht die Erinnerung südöstlich, nach Zwetschkenknödel, welche - je nach Saison gern auch mit Kirschen gefüllt - entgegen jeglichen Murrens kniggeriger Gesundheitsapostel zuerst mit zerlassener Butter übergossen und dann mit Zucker & Zimt überstreut wurden. Waren halt ursprünglich alles „Bauerngerichte“, die Kraft geben mussten. So auch die Schinkenfleckerln, durchaus auch ohne „Schinken“, dafür aber mit gekochten Kartoffelstückchen. Schinkenfleckerln kenne ich nur ohne Schinken. Da kam „Geselchtes“ dazu. Kasslernacken, dessen höherer Fettanteil erst den „richtigen“ Geschmack und Nährwert erzeugte.

      • @Moon:

        Wenn ich das so spät lese ist ein Gang zum Kühlschrank unausweichlich.



        Zwetschenknödel ham, ham...

    • @Ringelnatz1:

      Anschließender Häupling1:



      Gus Backus - Da sprach der alte Häuptling der Indianer 1972



      www.youtube.com/watch?v=nr6GyinkWr0



      Mit 15 haben wir da aufe Fehde begeistert mitgegröhlt!

      • @Ringelnatz1:

        Es bleibt dabei: Wild ist der Westen, schwehr ist der Beruf. UFF.

    • @Ringelnatz1:

      Liggers. Ever uns AnnaSusanna - hett de



      FöhrnunAchternmütz - Vergehten!



      (Sherlock Holmes Leser wissen mehr.



      Joo. Ever wennse rein dammelig mit ehrn Klöterkassen am klamüsern is!



      Denn nich! Vermutlich inne Waschmaschine eingespült. Bei Ebbe.



      Tööft föhr Tide! Der Mann im Priel. Aber



      Die Flut ist pünktlich.

      unterm——- servíce - föhrdigital -



      de.wikipedia.org/w...nn_im_Strom_(1958)



      & auch nach Siegfried Lenz -



      de.wikipedia.org/w...ist_p%C3%BCnktlich

      kurz - So zärtlich is Föhrsuleyken - 🤫 -



      (kl. Tipp - Der Überläufer föhrwas later!)

      • @Lowandorder:

        So zärtlich – das ist so lange her. Solche Kunde ist selten, dass einer wie Hamilkar Schaß nur Kraft beharrlicher geistiger Versenkung, erfahren über das gerade selbst erlernte Lesen, einen schwitzenden, stinkenden Räuberhauptmann erst in den Wahnsinn treibt und dann in die Flucht schlägt. Es braucht wohl einen aus Masuren dazu.

        *General Zoch Wawrila. Ging natürlich gleich auf den Großvater zu, brüllte heiser und lachte, wie er das so an sich hatte, und dann sagte er: »Spring auf meine Hand, du Frosch, ich will dich aufblasen.« Das war, ohne Zweifel, eine Anspielung auf seine Herkunft und seine Gewohnheiten.



        »Ich werde dich jetzt, du alte Eidechse, halbieren. Aber ganz langsam.«



        »Eine Seite nur noch«, sagte Hamilkar Schaß. »Es sind, bei Gottchen, nicht mehr als fünfunddreißig Zeilen. Dann ist das Kapitelchen zu Ende.«



        >>Schau her, die Flinte ist gespannt.«



        »Gleich«, sagte Hamilkar Schaß. »Nur noch zehn Zeilen, dann wird alles geregelt werden, wie es sein soll.«



        Da packte, wie jeder Kundige verstehen wird, Wawrila und seine Bagage ein solch unheimliches Entsetzen, daß sie, ihre Flinten zurücklassend, dahin flohen, woher sie gekommen waren – dahin: damit sind gemeint die besonders trostlosen Sümpfe Rokitnos.*

        Aus: Sigried Lenz: So zärtlich war Suleyken. / (Zitiert mit Auslassungen)